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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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nicht so schnell, es war zu grauenvoll. Wie kann man so etwas von seinem eigenen Mann glauben?
    Erneut rief sie seinen Namen und streckte die Hand nach ihm aus.
»Dale, hilf mir raus!«
Er bewegte sich, als sie das sagte. Und sie hörte ihn lachen.
»Was bist du bloß dumm, Lisle! Kapierst du es nicht einmal jetzt? Weißt du nicht, dass alles, was ich dir heute Nachmittag erzählt habe, wahr ist? Nur trifft es nicht auf Rafe zu, sondern auf mich. Lydia musste dran glauben, weil ihr Tod Tanfield rettete. Wenn ich zwischen Tanfield und irgendeiner Frau auf Erden wählen muss, entscheide ich mich jederzeit für Tanfield. So standen deine Chancen von Anfang an, meine Liebe. Dir war Tanfield egal, ich sollte es verkaufen und im Herrenhaus wohnen. Als du das zum ersten Mal gesagt hast, da dachte ich, mit welchem Vergnügen ich dich umbringen würde. Aber bis jetzt hattest du immer Glück. Ich dachte schon, es wäre geschafft, als du neulich beinahe ertrunken wärst. Ich habe dich rufen gehört, aber die anderen nicht, dafür habe ich gesorgt. Und wenn sich nicht dieser verdammte Gemüsehändler, oder was er war, eingemischt hätte, dann wärst du ertrunken und hättest mir einiges erspart. Mit dem Wagen hattest du auch wieder Glück. Das war riskant, und ich hätte es fast nicht gewagt, weil man die Feilspuren an der Spurstange sehen konnte. Aber nachdem ich dich dann im Beisein von Alicia gedrängt habe, die Lenkung vor der Heimfahrt überprüfen zu lassen, konnte mir ja keiner etwas anhängen. Der rachsüchtige Pell kam mir sehr gelegen. Das hatte ich einkalkuliert. Und so, wie Lal auf dir herumhackte, war ich mir auch sicher, dass du nicht mit ihr in der Werkstatt warten würdest.« Er lachte verächtlich. »O je, du hattest wieder Glück. Aber damit ist es jetzt vorbei. Wie klug von dir, mich von dieser Detektivin beobachten zu lassen! Miss Silver, Privatdetektivin! Das hast du wohl nicht gedacht, dass ich davon weiß, was? Du hättest ihre Visitenkarte nicht in deiner Tasche lassen sollen. Das war wirklich sehr nachlässig. Aber du brauchst nicht zu glauben, dass sie oder dieser verdammte Polizist mir irgendetwas nachweisen können, denn du hast einen sehr überzeugenden Abschiedsbrief geschrieben. Einer der Entwürfe für Robson heute Morgen. Erinnerst du dich? Es war mein Vorschlag, und du fandest ihn übertrieben. Aber du hast es geschrieben, meine Liebe, und das würde jedes Gericht der Welt davon überzeugen, dass du dich umbringen wolltest.«
Leise und deutlich fragte sie:
»Hast du Cissie getötet?«
Sein Ton änderte sich, wurde rau und zitternd.
»Warum hast du ihr die verdammte Jacke gegeben?«
Die Haare waren ihr wieder in die Augen gefallen. Sie schob sie zurück. Es wurde dunkel, aber noch konnte sie ihn sehen.
»Du hast Rafes Zigarettenetui genommen und es verloren, als du sie über die Klippen gestoßen hast. Alicia hat es gefunden. Selbst wenn Rafe gesehen hat, wie du es genommen hast, du wusstest, dass er nie etwas sagen würde …«
Plötzlich brach ihre Stimme. »Dale, hilf mir raus! Ich werde auch nichts sagen, ich verspreche es. Hilf mir nur hier raus!«
Sie hörte ihn lachen.
»Glaubst du wirklich?«
Und damit drehte er sich um und ging. Sie sah, wie der schwarze Schatten, der sich vor dem Himmel abhob, kleiner wurde, und dann sah sie den Himmel ohne Schatten.
Dale war verschwunden.
    44

    Dale war verschwunden – von einem Moment auf den anderen, während sie verzweifelt nach Worten suchte, die ihr den Dale zurückbrachten, der sie geliebt und den sie geliebt hatte, oder nach Worten, die diesen entsetzlichen Fremden bewegen konnten, ihr zu helfen. Es waren ihr keine Worte eingefallen, und nun waren sie nicht mehr nötig, denn Dale war verschwunden. Einen Augenblick lang brachte das Erleichterung. Die panische Anstrengung, ihn zu erreichen, das Entsetzen vor ihm, der dort oben stand wie die Verkörperung des Bösen – das alles war verschwunden. Langsam kam sie zu sich, ließ der Schmerz nach, aber damit wurde ihr auch bewusst, was ihr blieb: Verlassenheit – alles Geliebte, alles Vertraute war zusammengebrochen. Er war fort und hatte sie dem Tod überlassen. Hier in diesem Felsenloch sollte sie ertrinken. Wie lange würde die Flut brauchen, um sie zu erreichen? Eine Stunde vielleicht? Sie wusste es nicht.
    Die anfängliche Erleichterung wich panischer Angst. Sie schrie und hörte ihre Stimme von den Felsenwänden zurückkommen. Es war das heisere, schwache Schreien aus einer vor Angst

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