Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
Vom Netzwerk:
ihm riefen: Sie wollten gegen die Toten eingesetzt werden. Sam erkannte, dass er Kibeth einsetzen musste, damit die Kreaturen in den Tod zurückkehrten – doch Kibeth konnte auch ihn leicht in den Tod schicken.
    »Wählt der Schreitende den Pfad oder der Pfad den Schreitenden?«, fragte Mogget plötzlich und blickte eindringlich in Sams schwitzendes Gesicht.
    »Was?«, fragte der Prinz. Er hatte seine Mutter diese Worte sagen hören, doch ihre Bedeutung war ihm damals so unklar gewesen wie jetzt. »Was bedeutet das?«
    »Es verrät mir, dass du das
Buch der Toten
nie zu Ende studiert hast«, antwortete Mogget in seltsamem Tonfall.
    »Äh… nein, noch nicht«, gestand Sam bedrückt. »Ich werde es nachholen. Es ist nur, dass ich…«
    »Das bedeutet, dass wir uns jetzt in argen Schwierigkeiten befinden«, unterbrach ihn Mogget und spähte in die Dunkelheit. »Ich dachte, du würdest inzwischen wenigstens genug wissen, um dich selbst zu schützen!«
    »Was siehst du?«, fragte Sam. Er vermeinte bedrohliche Geräusche zu vernehmen: das plötzliche Bersten von Bäumen sowie Steine, die ins Wasser fielen.
    »Schattenhände«, erwiderte Mogget düster. »Zwei. Dahinten, zwischen den Bäumen. Sie unterweisen die anderen Kreaturen, den Bach zu dämmen. Ich nehme an, dass sie angreifen werden, sobald das Wasser steht.«
    »Ich… ich wollte, ich wäre ein richtiger Abhorsen«, flüsterte Sam.
    »In deinem Alter
solltest
du einer sein«, rügte Mogget. »Aber ich fürchte, wir werden uns mit dem zufrieden geben müssen, was du kannst. Wo ist eigentlich dein eigenes Schwert? Eine Klinge ohne Charterzeichen kann den Schattenhänden nichts anhaben.«
    »Ich habe es in Belisaere zurückgelassen«, gestand Sam nach einer verlegenen Pause. »Ich dachte nicht… Ich wusste, dass Nick sich in Schwierigkeiten befindet, aber dass sie so schlimm sind, konnte ich nicht ahnen.«
    »Du bist mir ein schöner Prinz«, knurrte Mogget. »Ich glaube nicht, dass du und deine Schwester jemals von Nutzen sein werdet.«
    »Was… kann ich denn jetzt tun?«, erkundigte Sam sich verlegen.
    »Wir haben noch ein bisschen Zeit, ehe das Wasser langsamer fließt«, antwortete Mogget. »Du solltest versuchen, Magie in deine Klinge zu zaubern. Wenn du so einen Frosch basteln kannst, dürfte dir das nicht unmöglich sein.«
    »Ja«, sagte Sam dumpf, »ich weiß, wie das geht.«
    Er konzentrierte sich auf die Klinge, vertiefte sich wieder in die Charter und langte nach Zeichen der Schärfe und Auflösung, einer Magie, die Toten- oder Geistfleisch vernichten konnte.
    Angestrengt zwang er die Zeichen in die Klinge und beobachtete, wie sie langsam und träge wie Öl das Metall entlangströmten und in den Stahl eindrangen.
    »Du bist geschickt«, lobte die Katze. »Erstaunlich. Du erinnerst mich fast an…«
    Was immer er noch sagen wollte, ging in einem schrecklichen Schrei in der Nacht unter, der von einem verzweifelten Platschen begleitet wurde.
    »Was war das?«, rief Sam, der mit seinem frisch verzauberten Schwert zum Nordzeichen ging.
    »Eine Schattenhand«, antwortete Mogget. »Sie ist ins Wasser gefallen. Wer immer diese Toten beherrscht, ist weit entfernt, mein Prinz. Selbst die Schattenhände sind schwach und dumm.«
    »Dann haben wir vielleicht eine Chance«, meinte Sam. Die Strömung des Wassers schien von dem Dammbau weiter oben noch nicht beeinflusst zu werden, und die Raute leuchtete immer noch hell. Vielleicht würde vor dem Morgen nichts passieren.
    »Ja, wir haben eine Chance«, bestätigte Mogget. »Heute Nacht jedenfalls. Doch morgen wird es wieder eine Nacht für uns geben, und dann vielleicht noch eine, ehe wir den Ratterlin erreichen. Und was wird in einer dieser Nächte geschehen?«
    Sam überlegte sich noch immer eine Antwort, als die erste Totenhand brüllend durchs Wasser kam und so heftig gegen die Raute prallte, dass silberne Funken in die Dunkelheit stoben.

     

33
    FLUCHT ZUM FLUSS
     
    Der Morgen dämmerte spät am äußersten Rand des Sindelwalds. Licht fiel schon lange über die Wipfel, bevor es die dunkle Tiefe erreichte, wo es keine leuchtende Hitze mehr war, sondern ein verwaschenes grünliches Licht, das die Schatten nur zurückdrängte statt sie zu vernichten.
    Der Sonnenschein erreichte Sameths von Magie umgebenes Inselchen viel später als erhofft. Das Feuer war längst erloschen, und wie von Mogget angekündigt, musste Sam die Schutzraute lange vor dem ersten Morgenschimmer erneuern. Er staunte selbst über seine

Weitere Kostenlose Bücher