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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Monaten«, erwiderte die Hündin gähnend. »Zwei Jahre, wenn du faul bist. Auch wenn du eine Charterhaut trägst, veränderst du nicht wirklich deine Gestalt. Und such dir auf jeden Fall eine Charterhaut aus, die für Erkundungen nützlich ist. Du weißt schon – eine, mit der man durch kleine Öffnungen kommt und so weiter.«
    »Warum?«, fragte Lirael.
    »Warum?«, wiederholte die Hündin irritiert und zog den Kopf unter Liraels Hand hervor. »Es gibt hier so viel zu sehen und zu riechen! Ganze Stockwerke der Bibliothek hat seit hundert oder tausend Jahren niemand mehr betreten! Verschlossene Räume voller Geheimnisse! Schätze! Wissen! Spaß! Willst du dein Leben lang eine Bibliotheksassistentin dritten Grades bleiben?«
    »Nicht unbedingt«, erwiderte Lirael steif. »Ich möchte eine richtige Clayr sein. Ich möchte Sehen können.«
    »Na, vielleicht finden wir etwas, womit wir die Gabe in dir erwecken können«, meinte die Hündin. »Ich weiß, du musst arbeiten, aber es bleibt noch Zeit genug, die wir nicht vergeuden sollten. Und was wäre besser, als dorthin zu gehen, wo seit tausend Jahren keiner mehr gewesen ist?«
    »Da hast du wohl Recht«, stimmte Lirael zu, angesteckt von den Worten der Hündin. Es gab so viele Türen, die sie öffnen wollte. Die seltsame Öffnung im Fels, zum Beispiel, wo die Wendeltreppe so abrupt endete…
    »Außerdem«, fügte die Hündin hinzu, »sind hier Kräfte am Werk, die Wert darauf legen, dass du das Buch benutzt. Irgendetwas hat den Stilken befreit, und die Anwesenheit des Wesens hat auch andere Zauber geweckt. Der Baum hätte dir das Buch nicht gegeben, wenn er nicht wollte, dass du es bekommst.«
    »Schon möglich«, sagte Lirael. Die Vorstellung, dass dem Stilken geholfen worden war freizukommen, gefiel ihr gar nicht. Denn es bedeutete, dass es eine größere Macht des Bösen hier unten in den Alten Etagen gab oder dass irgendeine Macht trotz aller Wächter und Abwehrvorrichtungen von außen in den Gletscher der Clayr eindrang.
    Wenn sich ein Wesen wie der Stilken – eine mächtige Kreatur der Freien Magie – in der Bibliothek befand, hielt Lirael es für ihre Pflicht, dieses Wesen aufzuspüren. Nachdem sie den Stilken besiegt hatte, nahm sie es nun unbewusst auf sich, auch allen anderen Kreaturen den Kampf anzusagen, die eine Bedrohung für die Clayr darstellen mochten.
    Außerdem würden die Erkundungen ihr die Zeit vertreiben und sie ablenken. Lirael erkannte, dass sie in den letzten Monaten kaum einen Gedanken an das Erwachen oder die Sicht verschwendet hatte. Die Erschaffung der Hündin und das Problem des Stilken hatten ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.
    »Ich werde eine brauchbare Charterhaut studieren«, erklärte sie. »Und wir werden auf Erkundung gehen, Hündin!«
    »Gut!«, sagte die Hündin und bellte begeistert, dass es in der Höhle widerhallte. »Dann beeil dich jetzt. Wasch dich und zieh dich um, bevor Imshi sich Gedanken macht, wo du bleibst.«
    »Wie spät ist es?«, fragte Lirael erschrocken. Fernab von den Pfeiftönen Kirriths in der Halle der Kinder oder dem Läutwerk der Uhr im Leseraum hatte sie keine Ahnung, wie spät es war.
    »Eine halbe Stunde nach sechs Uhr morgens«, erwiderte die Hündin, nachdem sie die Ohren gespitzt hatte, als wollte sie einem fernen Läuten lauschen, »ein paar Minuten mehr oder…«
    Sie brach ab, denn Lirael hatte sich bereits auf den Weg gemacht. Sie humpelte ein wenig beim Laufen. Die Hündin seufzte, flitzte hinter ihr her und holte sie ein, bevor sie die Tür schloss.

     

Zweiter Teil
     
Ancelstierre 1928 a. W.
Das Alte Königreich
     
    Achtzehntes Jahr der Restauration von König Touchstone I.

14
    PRINZ SAMETH SCHLÄGT EINE SECHS
     
    Siebenhundert Meilen südlich vom Gletscher der Clayr spielten zweiundzwanzig junge Burschen Cricket. Im Alten Königreich jenseits der Mauer, die dreißig Meilen nördlich lag, war es Spätsommer. Hier in Ancelstierre waren die letzten Tage des Sommers noch warm und klar – das ideale Wetter für das Endspiel der Schulabgänger beim Turnier der besten Auswahlmannschaften von achtzehn Schulen.
    Der Schlagmann, der auf seinen letzten Ball wartete, wurde in einem Monat siebzehn. Er war weit über eins achtzig groß, hatte krauses dunkelbraunes Haar und auffallend schwarze Brauen. Er war nicht wirklich hübsch, aber durchaus attraktiv und machte eine gute Figur in seinen weißen Cricketsachen, auch wenn sie nicht mehr so frisch und gestärkt waren wie zu Beginn

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