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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Hündin liegen, wo sie war, und schritt voran, von Licht umhüllt.
    Plötzlich war sie am Tisch, ohne sich erinnern zu können, wie sie den Zwischenraum überquert hatte. Ihre Hände ruhten auf der kühlen, schimmernden Platte. Wie von einer Bibliotheksassistentin zweiten Grades zu erwarten, griff sie zuerst nach dem Buch. Ihre Finger berührten den Silberverschluss, doch ehe sie den Band aufschlug, las sie den in Silber geprägten Titel auf dem Buchrücken:
    Buch des Erinnerns und Vergessens
    Lirael öffnete den Verschluss. Auch dort spürte sie Chartermagie und bemerkte, wie die Zeichen einander über die silberne Oberfläche und tief hinein ins Metall jagten. Es waren Zeichen des Bindens und Schließens, des Verbrennens und der Vernichtung.
    Doch ehe Lirael sich dessen bewusst war, lag das Buch geöffnet vor ihr, und ihr war nichts geschehen. Sie blätterte in den hauchdünnen Seiten und spürte, dass schon bei der Herstellung des Papiers Charterzeichen darin eingeströmt waren. Auch Freie Magie befand sich darin, die jedoch in Schach gehalten und an die richtigen Stellen gelenkt wurde. Magie beider Arten schlummerte im Holz und Leder des Einbandes, sogar im Leim und in den Stichen des Rückens.
    Hauptsächlich aber befanden Magie und Macht sich in den Buchstaben. Lirael kannte bereits ähnliche, wenngleich mit weniger Macht behaftete Bücher, beispielsweise
In der Haut eines Löwen.
Ein derartiges Buch konnte man nie wirklich zu Ende lesen, denn sein Inhalt änderte sich nach Bedarf oder der Laune seines Schöpfers – aber auch, um sich den Mondphasen oder dem Wetter anzupassen. Einige dieser Bücher hatten einen Inhalt, an den man sich erst erinnern konnte, wenn bestimmte Ereignisse eintraten, was dem Wohlwollen des Verfassers zu verdanken war.
    Die Lichter tanzten um Liraels Kopf, als sie zu lesen begann, und ließen Schattenmuster ihres Haares über die Seite fallen. Sie las die erste Seite, die nächste, dann eine nach der anderen. Bald hatte sie das erste Kapitel beendet, denn ihre Hand wendete alle paar Minuten die Blätter. Der schwere, schläfrige Atem der Hündin hinter ihr schien sich dem langsamen Rhythmus des Umblätterns anzupassen.
    Stunden oder sogar Tage später – Lirael hatte jegliches Zeitgefühl verloren – war sie auf der letzten Seite angelangt und klappte das Buch zu, dessen Silberverschluss von selbst zusprang.
    Lirael langte nun nach der Panflöte mit ihren sieben kleinen Röhren aus Silber, von der Länge ihres kleinen Fingers angefangen bis zur Länge ihrer Hand. Sie legte die Flöte an die Lippen, blies jedoch nicht hinein. Das Instrument war viel mehr, als es zu sein schien, denn das Buch hatte ihr verraten, wie die Flöte angefertigt worden war und wie sie benutzt werden sollte. Lirael wusste nun, dass die Charterzeichen, die sich in dem Silber bewegten, bloß ein Hauch der Freien Magie waren, die sich darin verbarg.
    Sie berührte jede der Röhren der Größe nach, mit der kleinsten angefangen, und flüsterte ihre Namen, ehe sie die Panflöte zurück auf den Tisch legte. Dann griff sie nach dem letzten Gegenstand, der kleinen Metallschatulle. Sie war ebenfalls aus Silber, mit schöner Ziselierung sowie Charterzeichen. Letztere ähnelten denen auf dem Buch. Alle drohten mit Bestrafung, wenn die Schatulle von jemandem geöffnet würde, der nicht vom wahren Blut war. Welches Blut damit gemeint war, wurde nicht gesagt, doch Lirael nahm an, dass die Schatulle sich für sie öffnen würde wie schon das Buch.
    Sie berührte den Verschluss ganz leicht und zuckte ein wenig zusammen, als sie die Hitze der Freien Magie darin brennen fühlte. Die Schatulle blieb geschlossen. Hatte sie das Buch nicht richtig verstanden? Die Zeichen falsch gedeutet? Oder hatte sie doch nicht das »richtige Blut«? Lirael kniff die Augen zusammen und drückte fest auf den Verschluss.
    Die Schatulle zitterte in ihrer Hand. Lirael öffnete die Augen und sah, dass sie aufgesprungen war und nun zwei Hälften bildete, die in der Mitte aneinander hingen – wie ein kleiner Spiegel, den man auf einem Regal oder Tisch aufstellen konnte.
    Lirael öffnete die Schatulle ganz und stellte sie v-förmig auf den Tisch. Eine Seite war spiegelnd und silbern, die andere vermochte sie nicht zu beschreiben: Es war ein stumpfes, nicht spiegelndes Rechteck aus… nichts. Ein Stück völlige Dunkelheit, so schwarz und unergründlich, dass es nicht zu beschreiben war.
    Das
Buch des Erinnerns und Vergessens
nannte es den

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