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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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alles über Mittwinter in Ancelstierre zu lesen – nicht nur eine Formel, nach der Sam es auf Grund langer Mond- und Sonnenbeobachtungen selbst hätte ausarbeiten müssen. Dieser Tag entsprach im Alten Königreich dem Tag des Schiffes in der dritten Frühjahrswoche. Bis dahin mussten noch viele Wochen vergehen, doch Sam freute sich jetzt schon darauf. Seine Laune hob sich und er kam im Schloss mit allen besser aus, außer mit Ellimere.
    Der Winter verging, ohne dass seine Mutter oder sein Vater heimkehrten. Diesmal blieben auch größere Stürme und die durchdringende Kälte aus, die manchmal aus dem Nordosten kamen und verirrte Wale mit sich brachten, die üblicherweise nicht in der See von Saere zu finden waren.
    Dem Wetter nach war es ein besonders milder Winter, doch bei Hofe und in der Stadt wurde er als sehr schlechte Zeit betrachtet, denn seit dem Beginn von Touchstones Regentschaft war das Königreich nicht von so vielen Unruhen erschüttert worden wie jetzt. Ständig wurden Kurierfalken losgeschickt, und Mistress Finney war noch gereizter als sonst, da ihre Kinder – die Falken – den vielen Kurierdiensten kaum noch nachkommen konnten. Viele Botschaften, die übermittelt wurden, waren Berichte über die Toten und über Kreaturen Freier Magie. Ein großer Teil dieser Berichte erwies sich als falsch, doch sehr viele stimmten und erforderten Sabriels Anwesenheit.
    Es gab auch andere Nachrichten, die Sam beunruhigten. Ein Brief seines Vaters erinnerte ihn allzu sehr an den schrecklichen Tag am Perimeter, als die toten Südlinge seine Cricketmannschaft angegriffen und ihn zu dem Entschluss veranlasst hatten, sich dem Nekromanten im Tod zu stellen.
    Sam nahm den Brief mit zum zweithöchsten Turm, um ihn dort noch einmal in Ruhe zu lesen, während Brel, der Wachposten, ganz in der Nähe seine Runden zog. Einen Teil des Schreibens studierte Sam besonders eingehend:
    Vermutlich auf Anweisung der Regierung hat die ancelstierrische Armee einer Gruppe »Freiwilliger« aus dem Süden die Erlaubnis erteilt, gegen sämtliche Abmachungen und wider alle Vernunft an einem der alten Grenzübergänge der Mauer ins Alte Königreich einzureisen. Offenbar hat Corolini weitere Anhänger gewonnen, und er scheint wieder einmal zu versuchen, seinen alten Plan zu verwirklichen, sämtliche Südlinge ins Königreich abzuschieben. Ich habe den Überquerungen Einhalt geboten, so gut ich kann, und die Wachen bei Barhedrin verstärkt. Aber es gibt keine Gewähr, dass die Ancelstierrer nicht weitere Südlinge herüberschicken. General Tindall hat versprochen, dass er bei einem neuerlichen Fall Verzögerungstaktiken anwenden und uns warnen wird, falls möglich.
    Wie auch immer, mehr als tausend Südlinge überqueren bereits die Grenze und haben einen Vorsprung von vier Tagen vor uns. Anscheinend wurden sie von »einheimischen Führern« empfangen, doch da die Perimeterscouts keine Erlaubnis hatten, Flüchtlinge zu begleiten, weiß ich nicht einmal, ob es sich bei diesen Führern überhaupt um Menschen handelt. Wir werden der Sache natürlich nachgehen, denn sie gefällt mir nicht. Ich bin sicher, dass zumindest ein Zauberer Freier Magie auf unserer Seite der Mauer beteiligt ist, und du sollst wissen, Sameth, dass der Übergang, den die Südlinge benutzt haben, jener Stelle am nächsten ist, wo man euch den Hinterhalt gelegt hat.
    Der Nekromant!, dachte Sam, während er den Brief zusammenfaltete. Er war froh, dass die Sonne schien und er sich im Schloss befand, wo er durch Schutzzeichen, Wachen und fließendes Wasser sicher war.
    »Schlechte Neuigkeiten?«, fragte Brel.
    »Nein, nein, bloß Neuigkeiten«, entgegnete Sam, konnte einen Schauder aber nicht unterdrücken.
    »Außerdem werden der König und die Abhorsen mit allem fertig«, sagte Brel überzeugt.
    »Ja«, flüsterte Sam, »wo immer sie jetzt sein mögen.« Er steckte den Brief unter seinen Umhang und kehrte nach unten in seine Werkstatt zurück, um sich mit einer Bastelarbeit abzulenken, die seine ganze Aufmerksamkeit und äußerste Geschicklichkeit erforderte.
    Doch bei jedem Schritt war Sam bewusst, dass er das
Buch der Toten
öffnen sollte.
     
    Natürlich kehrten Sams Eltern ausgerechnet dann zurück, als er längst vom Turm hinuntergestiegen war und Brels Wache geendet hatte. Es war ein schöner Frühlingsabend. Der Wind wehte nach Osten, und die See von Saere wechselte die Farbe von Winterschwarz zu Sommertürkis. Die Sonne war noch warm, als sie im Westen bereits unterging,

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