Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix

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hatte.
    Bald war deutlich zu erkennen, dass Orannis an seinen Ketten zerrte. Die Blitze bewegten sich von den Hemisphären weg nach außen, wie von unsichtbarer Hand gelenkt. Statt der konzentrierten Einschläge in und um die Schienenwagen trafen die Blitze immer öfter die Blitzableiter auf dem Hang. Auch die Anzahl der Blitze, die aus den schwarzen Wolken zuckten, nahm zu. Waren es zuletzt neun Einschläge pro Minute in dem kleinen Bereich um die Hemisphären gewesen, so waren es jetzt neunzig, über den Hang verstreut, und dann mehrere Hundert, die mit betäubendem Donnern über der gesamten Blitzfarm niedergingen.
    Binnen weniger Minuten gab es keine Blitze mehr im Zentrum des Gewitters, doch die Hemisphären leuchteten in der neuen, stetig hinzufließenden Kraft, und jedes Mal, wenn Mogget sich umdrehte, konnte er sich windende dunkle Schatten in der Tiefe des Silbermetalls sehen. In jeder Hemisphäre sammelten sich die Schatten an den Seiten, die einander zugewandt waren, und wüteten gegen die Kräfte, die sie noch trennten.
    Immer mehr Blitze schlugen ein, und der Donner ließ den Boden erbeben. Die Hemisphären leuchteten heller, die Schatten wurden dunkler. Mit dem Quietschen metallener, lange nicht benutzter Räder rollten die Wagen mit zunehmender Geschwindigkeit aufeinander zu.
    »Die Hemisphären kommen zusammen!«, rief Mogget und lief nun schneller den Hang hinauf, stürmte im Zickzack zwischen den Blitzableitern hindurch, den Oberkörper tief über seine Last gebeugt, um sie vor den heftigen Energieentladungen um sie her zu schützen.
    In Nicks Herz zuckte ein kleiner Silbermetallsplitter, angezogen von der großen Masse, der er angehört hatte. Einen Moment lang bewegte er sich gegen die Herzwand, als wollte er dort einen blutigen Weg ins Freie suchen. Doch die anziehende Kraft war noch nicht stark genug, der Abstand zu groß. Statt sich einen Weg durch Fleisch und Knochen zu bahnen, geriet das Fragment des Zerstörers in den Blutstrom einer Arterie und wurde an jene Stelle zurückgeschwemmt, an der es vor fast einem Jahr in den Körper gelangt war.

    Sam ließ die Hand sinken, als die Totenhand schreiend unter dem verzehrenden goldenen Charterfeuer zu Boden fiel. Flatternd und zuckend kroch sie hinter zwei brennende Bäume. Der spiralförmig aufsteigende Rauch der Feuer sah wie ein Ausläufer der gewaltigen Nebelbank aus, die über den Hügelkamm wogte.
    »Wenn das meine Pfeile auch könnten«, bemerkte Sergeant Evans. Er hatte dieselbe Totenhand mit mehreren Silberpfeilen gespickt, doch die hatten den Ansturm nur verlangsamt.
    »Der Geist ist noch immer da«, sagte Sam grimmig. »Nur der Körper ist unbrauchbar geworden.«
    Er konnte viele weitere Tote spüren, die jenseits des Hügels mit dem Nebel heraufkamen. Bis jetzt hatten Sam und die Soldaten den ersten Ansturm abwehren können. Doch das waren nur ein halbes Dutzend Totenhände gewesen.
    »Sie halten uns auf Distanz, während sie den Hauptangriff vorbereiten, nehme ich an«, sagte Major Greene und schob seinen Helm zurück, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen.
    »Ja«, pflichtete Sam bei. Er zögerte; dann fügte er leise hinzu: »Es sind an die hundert Totenhände im Anmarsch, und es werden jede Minute mehr.«
    Er sah sich nach Liraels eisüberzogenem Körper um. Nun standen wesentlich weniger Soldaten um sie herum als zuvor. Niemand war getötet worden, doch mindestens ein Dutzend Mann hatten entsetzt die Flucht ergriffen. Der Major hatte sie zögernd gehen lassen und gemurmelt, dass er es nicht fertig brachte, sie zu erschießen, wenn die ganze Kompanie mit diesem Einsatz überfordert war.
    »Wenn ich nur wüsste, wie die Dinge stehen!«, fluchte Sam. »Bei Lirael – und diesen charterverdammten Kugeln!«
    »Das Warten ist immer das Schlimmste«, sagte Major Greene. »Aber ich glaube nicht, dass es noch lange dauert, so oder so. Der Nebel kommt auf uns zu. In ein paar Minuten sind wir mittendrin.«
    Sam blickte wieder nach vorn. In der Tat bewegte sich der Nebel rascher. Lange Schwaden krochen den Hang hinunter. Gleichzeitig spürte er eine gewaltige Woge von Toten auf der gesamten Breite des Hanges.
    »Jetzt kommen sie!«, rief der Major. »Haltet die Stellung, Männer!«
    Sie waren zu viele für einen Bewurf mit Charterzauber. Sam zögerte einen Moment, dann nahm er die Panflöten zur Hand. Er setzte die Saraneth-Flöte an die Lippen, holte durch die Nase tief Luft und blies – und der reine, kräftige Ton schnitt durch