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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Schimmer aufwies, als wäre es in ein fremdartiges Öl getaucht worden. Das Schwert eines Henkers, dachte Lirael. Die Gravur auf der Klinge schien die alte zu sein. Oder doch nicht? Sie konnte sich nicht genau erinnern. Jetzt lautete sie: »Vergiss Nehima nicht.«
    »Ist es das, was du wolltest?«, fragte Sam. Sein Gesicht war bleich vom Schock. Er blickte an ihr vorbei ins Tal, konnte aber weder die Südlinge noch Major Greene und seine Männer sehen. Überall waren Staub und Halbdunkel. Er konnte auch nichts hören. Keine Schreie oder Hilferufe. Sam fürchtete das Schlimmste. »Ich habe mich an deine Anweisungen gehalten«, sagte er leise.
    »Ja«, krächzte Lirael mit trockener Kehle. Das Schwert lag schwer in ihrer Faust, und schwerer noch auf ihrer Seele. Wenn es ihnen gelang, Orannis zu bannen, würde sie ihn damit in zwei Hälften zerschlagen müssen, denn keine Bande konnten den Zerstörer lange halten, wenn er eins blieb. Diese Waffe würde Orannis zerschlagen, doch der Preis war das Leben dessen, der sie führte.
    Ihr Leben.
    »Hat jeder seine Glocke?«, fragte sie rasch, um sich von diesen Gedanken abzulenken. »Sabriel, gib Sam Belgaer und sag ihm den Bannspruch.«
    Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging über den zerstörten Hügel, durch die Feuer und über die Aschefelder, vorbei an abkühlendem geschmolzenem Metall hinunter zum Ufer der ausgetrockneten Bucht, wo der Zerstörer neue Kräfte zur Vernichtung sammelte.
    Eine grimmige Gefolgschaft hatte sie: Männer und Frauen mit einer Glocke in der Hand und einem Bannspruch, den sie in ihren Gedanken immerzu wiederholten.
    Als sie näher kamen, drang der Gestank Freier Magie beißend in ihre Lungen, in ihre Körper, durch Fleisch und Knochen. Doch weder Schmerz noch Übelkeit ließen Lirael in ihrem Schritt stocken, und die anderen folgten ihr unbeirrt, schluckten die bittere Galle hinunter, die ihnen in die Kehle stieg, und wehrten sich gegen die Krämpfe, die in ihrem Innern wüteten.
    Der Dampf hing als Nebel über ihnen und hüllte die Welt in die Schwärze der Nacht. Lirael blieb nur ihr Instinkt, um sich zu orientieren. Sie folgte der Richtung, in der die Qualen schlimmer wurden. Sie war sicher, so würden sie zu der Kugel gelangen, die der innere Kern des Zerstörers war. Sie wusste, wenn sie jetzt stehen blieben, um sich auf herkömmliche Weise zu orientieren, würden sie bald eine neue Feuersäule sehen, ein Leuchtfeuer, das ihnen zeigte, dass sie versagt hatten.
    Dann sah Lirael unvermittelt die Kugel aus gleißendem Feuer, die augenblickliche Manifestation des Zerstörers. Sie hing vor ihr in der Luft, und dunkle Ströme wechselten mit Feuerzungen auf der glatten, schimmernden Oberfläche.
    »Bildet einen Kreis um die Kugel«, befahl Lirael. Ihre Stimme klang verloren in diesem Abgrund der Zerstörung, in Dunkelheit und Nebel. Sie nahm Astarael in die linke Hand und zuckte bei dem Schmerz zusammen. In all der Hast hatte sie Hedges Schwerthieb vergessen. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, ihren Arm zu versorgen. Aber vielleicht, dachte sie kurz, spielte es ohnehin bald keine Rolle mehr. Das Schwert ruhte auf ihrer rechten Schulter, zum Hieb bereit.
    Schweigend formierten sich ihre Gefährten – ihre Familie, die alte und die neue, wie Lirael plötzlich klar wurde – rund um die Kugel aus Feuer und Schwärze. Da erst fiel Lirael auf, dass sie seit der Zerstörung Mogget nicht mehr gesehen hatte, obgleich er in den Schutzrauten gewesen war. Auch jetzt konnte sie ihn nicht ausmachen, und eine weitere eisige Furcht breitete sich in ihrem Herzen aus.
    Der Kreis war geschlossen. Alle blickten auf Lirael. Sie holte tief Atem und hustete von der beißenden Freien Magie. Bevor sie sich davon erholte und mit ihrer Beschwörung beginnen konnte, dehnte die Kugel sich aus, und rote Flammen leckten daraus hervor und auf den Ring der Sieben zu, wie tausend lange Zungen, die nach ihrem Fleisch gierten.
    Als die Flammen zuckten, sprach Orannis.

29
    Yraels Entscheidung
     
    »Also hat Hedge versagt, wie es bei solchen Kriechern nicht anders zu erwarten ist«, sagte Orannis leise wie im Flüsterton, doch rau und durchdringend. »Wie alles Leben versagen muss, bis die Stille mich in ewige Ruhe senkt, in ein Meer aus Staub. Und jetzt kommen wieder Sieben, die sich auf die Fahnen geschrieben hatten, Orannis wieder in Metall zu bannen, tief unter der Erde. Aber können Sieben mit solch dünnem Blut, denen nur noch ein Bruchteil der einstigen Macht

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