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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Pfoten sich so verlängerten, dass sie sich besser festhalten konnte, als hätte sie Hände besessen. Alle paar Sprossen wischte ihr Schweif über Liraels Gesicht – mit größerer Begeisterung, als Lirael selbst aufbringen konnte.
    Sam folgte als Letzter. Sein Charterlicht schwebte immer noch über seinem Kopf, und Mogget war sicher in seinem Rucksack verstaut.
    Als Sams Nagelschuhe auf den Sprossen klirrten, rasselten die Ketten über ihnen plötzlich und spannten sich wieder. Sam gelang es gerade noch, seine Hände in Sicherheit zu bringen, ehe der Deckel zugezogen wurde und krachend einrastete.
    »Auf diesem Weg werden wir wohl nicht zurückkehren«, sagte Sam mit aufgesetzter Fröhlichkeit.
    »Falls überhaupt«, flüsterte Mogget, jedoch so leise, dass niemand ihn hörte. Doch Sam zögerte einen Augenblick, und die Hündin knurrte, während Lirael weiter hinunterkletterte und die Erinnerung an die Sonne mit sich nahm, als sie in die Dunkelheit vordrangen.

3
    Amarant, Rosmarin und Tränen
     
    Die Leiter führte immer tiefer hinunter. Anfangs zählte Lirael die Sprossen, doch bei der neunhundertsechsundneunzigsten gab sie es auf. Unbeirrt setzten sie ihren Weg fort. Lirael hatte selbst ein Charterlicht beschworen. Es schwebte zu ihren Füßen und ergänzte das von Sam, das über seinem Kopf tanzte. Im Schein der beiden leuchtenden Kugeln waren die gleichförmigen Sprossen und ihre flackernden Schatten an der Brunnenwand alles, was die Gefährten sehen konnten, und manchmal konnte Lirael sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie auf der Leiter festsaßen, ohne von der Stelle zu kommen, wie in einer Tretmühle. Das Gefühl verstärkte sich so sehr, dass sie diese Vorstellung beinahe schon für die Wirklichkeit hielt. Plötzlich aber trat ihr Fuß auf Stein statt auf Metall, und ihr Charterlicht wurde bis zur Höhe ihrer Knie zurückgeworfen.
    Sie hatten den Grund des Brunnens erreicht. Lirael sprach ein Charterzeichen, und ihr Licht stieg empor, um sich mit den Worten zu verbinden, und kreiste über ihrem Kopf. In seinem Schein sahen die Gefährten, dass sie in eine rechteckige Kammer gelangt waren, die grob aus dem rötlichen Fels gehauen war. Ein Gang führte aus der Kammer hinaus in die Dunkelheit. Am Ausgang befand sich ein eiserner Behälter voller Fackeln, schlichte Holzstöcke, umwickelt mit ölgetränkten Lappen.
    »Ich schätze, das ist unser Weg«, flüsterte Lirael und deutete auf den Gang. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es sicherer wäre, nicht laut zu sprechen.
    Die Hündin schnüffelte und nickte.
    »Vielleicht sollten wir…«, begann Lirael und griff nach einer der Fackeln. Noch bevor ihre Finger sie berührten, zerfiel die Fackel zu Staub. Lirael zuckte zurück und stolperte beinahe über die Hündin, die ihrerseits mit Sam zusammenprallte.
    »Pass auf!«, rief Sam. Seine Stimme klang im Brunnenschacht wider, und die Echos hallten an Lirael vorbei in den Gang.
    Lirael griff erneut nach den Fackeln, schneller diesmal, doch auch die anderen zerfielen zu Staub. Als die den Behälter berührte, fiel auch der zu einem Haufen rostiger Scherben zusammen.
    »Die Zeit ruht nirgendwo«, stellte die Hündin kryptisch fest.
    »Ich schätze, wir müssen weiter«, sagte Lirael, mehr zu sich selbst. Sie brauchten keine Fackeln, aber sie hätte sich damit besser gefühlt.
    »Je schneller, desto besser«, erklärte die Hündin und witterte erneut. »Hier unten ist für uns nirgends ein Platz zum Verweilen.«
    Lirael nickte. Sie machte einen Schritt, hielt zögernd inne und zog ihr Schwert. Charterzeichen erstrahlten hell auf der Klinge, als diese aus der Scheide glitt, und der Name des Schwertes lief funkelnd über den Stahl und verwandelte sich kurz in die Inschrift, die Lirael schon gesehen hatte. Oder war es diesmal eine andere? Sie versuchte sich zu erinnern, doch die Worte flossen zu schnell über die Klinge hinweg.
    »Die Clayr Sahen ein Schwert, und so war ich. Erinnert euch an die Mauerbauer. Erinnert euch an mich.«
    Wie immer die Inschrift auch lautete, das gleißende Licht beruhigte Lirael. Vielleicht war es auch nur das Gefühl Nehimas in ihrer Hand.
    Sie hörte, wie auch Sam hinter ihr sein Schwert zog. Er wartete ein paar Sekunden, als sie den Weg fortsetzte, um nicht über den Hund zu stolpern oder sie in der Aufregung mit der Klinge zu verletzen. Es war eine Vorsichtsmaßnahme, die Lirael sehr zu schätzen wusste.
    Auf den ersten hundert Schritten waren die Wände in den Stein gehauen.

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