Das Amulett der Pilgerin - Roman
dass seine Herberge eine der besten am Platz war, und Leichen konnte er nicht gebrauchen. Energisch zog er die Tür wieder zu und machte sich auf den Weg zum Sheriff.
»Es waren drei Männer. Sie haben nicht gesagt, woher sie kamen. Ihrem Dialekt nach zu urteilen irgendwo aus dem Norden, aber nicht Schottland.«
»Und zwei von ihnen sind heute abgereist«, wiederholte der Offizier.
»Habe ich doch gesagt.«
»Hatten sie Streit?«
»Was weiß denn ich?«, brummte Ailred. »Sie haben sich mit noch einem anderen Kerl getroffen.«
»Wie sah der Mann aus?«
»Normal.«
»Wenn du willst, dass wir den Mörder finden, musst du schon etwas präziser sein, Mister Ailred.«
»Er trug einen grünen Umhang. Ich fand das etwas seltsam bei der Hitze, aber das ist ja kein Verbrechen.«
Der junge, blonde Mann, der unbeteiligt an der Wand gelehnt hatte, horchte auf.
»In welche Richtung sind die Männer geritten?«, fragte er. Der Offizier warf Emmitt einen missmutigen Blick zu. Als diese dubiosen, königlichen Agenten vor ein paar Tagen in die Stadt gekommen waren, hatte der Sheriff angeordnet, ihnen jede Art von Unterstützung zu geben. Normalerweise waren ihm solche Sachen gleich, aber sich die Befragung von einem solchen Grünschnabel aus der Hand nehmen zu lassen, das wurmte den Offizier doch.
»Weiß ich nicht, fragen Sie einen der Knechte.« Der Wirt war ebenfalls verstimmt, dass dieser Fall offenbar von einem reinen Anfänger untersucht werden sollte.
»Haben Sie eine Frau in Begleitung der Männer gesehen?«
Der Wirt kratzte sich am Kopf.
»Das stimmt, da war eine Frau. Sie wollte ein Bad am helllichten Tag! Ich habe ihr sagen lassen, dass wir zwar ein gehobenes Haus wären, aber dass solche besonderen Wünsche unsere Möglichkeiten dann doch übersteigen.« Er wandte sich wieder dem erfahrener aussehenden Offizier zu. »Ich meine, was soll man dazu auch sagen, kurz nach dem Mittagsmahl und zwei von den Küchenhilfen krank.«
»Ist die Frau mit den Männern fortgeritten?« Emmitt unterbrach den Wirt.
»Nein. Sie ist mit dem anderen Mann weg«, erklärte der Wirt, wieder zu dem Offizier gewandt.
»Dem Mann mit dem Umhang?«
Der Wirt nickte.
»Wie sah die Frau aus?«
»Weiß ich nicht, ich habe sie nur kurz gesehen. Hören Sie, ich muss zurück zu meiner Arbeit, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
»Ich komme mit und werde noch ein paar Fragen stellen. Irgendjemand muss die Leute ja bedient oder zumindest etwas gehört haben«, sagte Emmitt.
Der Wirt stand auf.
»Aber nicht, dass Sie mir die Gäste stören, das würde mir gar nicht gefallen.«
Die Zeit floss unendlich zäh dahin. Kurz war Julian eingedöst, aber der harte Boden war für ein bequemes Nickerchen alles andere als geeignet. Er fragte sich, wie spät es wohl war. Rinaldo saß mit stoischer Ruhe an seinem Platz und starrte ins Leere.
»Sie kommen aus dem Maurenland, Rinaldo, nicht wahr?«
»Aus Saragossa.«
»Sind Sie dort Sänger?«, fragte Julian, der den Anflug von Gesprächigkeit seines Gegenübers nutzen wollte.
»Ja, ich bin auch Sänger.«
»Wie gefällt Ihnen England?«
Rinaldo blickte Julian mit einem komisch entrüsteten Ausdruck an, und sie fingen beide an zu lachen.
»Es tut mir leid. Nach allem, was Sie hier durchgemacht haben, war das eine wenig feinfühlige Frage.«
»Unter anderen Umständen würde es mir vielleicht gut gefallen. Aber ich reise nicht gerne, es ist beschwerlich und voller Gefahren. Wie steht es mit Ihnen?«
»Ich würde gerne mehr von der Welt sehen. Ich war erst dreimal auf dem Festland und bin nie weiter als nach Anjou gekommen.«
»Das ist schon recht weit.«
»Ja, aber ich würde gerne das Heilige Land sehen.«
Es war erstaunlich, dass derselbe Ort für so viele Menschen heilig war, obwohl sie an unterschiedliche Dinge glaubten. Es würde keinen Frieden dort geben, solange jeder Jerusalem für sich allein haben wollte. Im letzten Jahr war mit Saladin ein weitsichtiger und fähiger Herrscher auf den ägyptischen Thron gestiegen. Alles deutete darauf hin, dass der Sultan noch Großes vorhatte. Nach dem katastrophalen Zweiten Kreuzzug hatte sich die Lage der christlichen Kreuzfahrerländer erheblich verschlechtert. Wie bereits zuvor hatte die Gier nach Macht und Reichtum den eigentlichen Sinn der Reisen vergiftet. Aber diese Gedanken behielt Julian lieber für sich, denn wer nicht uneingeschränkt Gottes Sache vertrat, geriet schnell in den Verdacht, ein Ketzer zu sein. Julian war kein Ketzer,
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