Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
Aber auch dieser Plan hatte sich nun in Luft aufgelöst, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als es ihm genau in diesem Moment zu erzählen.
Alles. Die gesamte Geschichte, die ungeschminkte Wahrheit, so verrückt sie auch klang. Sie erzählte ihm Dinge, die sie noch nie jemandem erzählt hatte, Wahrheiten, die sie so tief in sich vergraben hatte, dass es weh tat, sie hervorzuholen und auszusprechen. Sie erklärte ihm den Grund dafür, warum sie sich nicht einfach nur verpflichtet fühlte, Chloe zu helfen, sondern es für sie ein Muss war: weil es ihr Fehler war, dass ihre Eltern nicht mehr für Chloe da sein konnten. Sie erzählte ihm vom Winterrosenzauber und den Kerzen und dem Feuer. Von Magie, die im Blut lag, von Zauberinnen und der Zeit, bevor alles begann.
Nick hatte sich alles mit ruhiger Miene angehört, wie es sich für einen guten Journalisten gehörte. Und als sie fertig war, erklärte er ihr, dass er seine Meinung geändert hatte und sie das Ultimatum vergessen konnte. Es war vom Tisch. Und bevor der kleine Keim ihrer Erleichterung den ersten Millimeter wachsen konnte, wies er sie an, ihre Sachen zu packen und zu verschwinden, weil sie eine Belastung war, die er nicht brauchen konnte.
Er erklärte ihr, dass er an seine Zukunft denken musste. Wenn sie die Wahrheit sagte, wenn Magie wirklich existierte, dann war sie eine Zeitbombe, die jeden Moment explodieren und seine Glaubwürdigkeit und seinen Ruf zerstören konnte, und das wollte er nicht. Und wenn Magie nicht real war, dann war sie entweder verrückt oder eine Lügnerin, und damit wollte er ebenfalls nichts zu tun haben. So oder so, er wollte sie nicht mehr.
Nick auf dem Bildschirm zu sehen war für Eve wie ein Schlag in die Magengrube gewesen. Nicht etwa, weil sie immer noch zärtliche Gefühle für ihn hegte. So war es nicht. Während sie ihn im Fernsehen beobachtete und hörte, wie er über seine frisch geschlossene Ehe mit einer hübschen jungen Fotografin sprach, die mit ihm um die Welt reiste und offensichtlich die Maraschino-Kirsche auf einem perfekten Leben war, war Eve einfach nur dankbar, dass die Sache zwischen ihr und Nick damals geendet hatte.
Solange sie denken konnte, hatte sie davon geträumt, ihr Leben mit einem Mann zu teilen, der alles an ihr verstand und akzeptierte und liebte. Mit fünfzehn war sie sich so sicher gewesen, dass es ihn da draußen gab und er genauso ungeduldig auf sie wartete wie sie auf ihn, dass sie durch ihren Zauber einen Blick auf sein Gesicht geworfen hatte. Das Ende war bitter gewesen. Dann kam Nick und hauchte ihren zerschundenen Träumen neues Leben ein, nur damit sie am Ende auf den kalten, harten Boden der Realität knallte. Zum zweiten Mal hatte die Magie gewonnen und sie war die Verliererin. Die haushohe Verliererin.
Im Laufe der Zeit, während ihr Herz langsam – sehr, sehr langsam – wieder heilte, hatte sie sich mit der Wahrheit abgefunden. Mit der Tatsache, dass selbst wenn es den Mann ihrer unvernünftigen, romantischen Träume irgendwo da draußen gab und sie sich irgendwann, durch eine Fügung des Schicksals tatsächlich begegnen würden, sie sich niemals sicher sein konnte, dass er es war … nicht ohne ihm nahezukommen und einiges mehr zu riskieren, als sie jemals wieder riskieren wollte. Und sie brauchte Sicherheit. Bevor sie jemals wieder einem Mann ihr Herz schenkte, musste sie wissen, dass er der richtige war, der Mann, der vom Schicksal dazu auserkoren war, sie zu lieben, wie sie geliebt werden wollte. Sie war genauso wenig bereit, sich mit weniger zufriedenzugeben, als sie es mit fünfzehn gewesen war. Die Wahrheit zu akzeptieren war eine Sache. Einen Mann in ihr Leben zu lassen, der nicht der richtige war, eine völlig andere. Und Nick Trevino hatte sich als der falsche Mann entpuppt.
Als sie zusah, wie Whoopi sich bei ihm bedankte und einen Werbeblock ankündigte, konnte sie plötzlich dem anderen, unterschwelligen Gefühl einen Namen geben, das in ihrem Herzen lauerte, seit sie Angelas Büro verlassen hatte. Trauer. Die Art von Trauer, die man manchmal empfindet, wenn man alte Fotos betrachtet oder alte Liebesbriefe liest.
Nick zu sehen hatte sie in eine Zeit zurückgeworfen, die voll unendlicher Möglichkeiten und Träume gewesen war. Aber die Zeit vergeht erbarmungslos und sorgt dafür, dass man Dinge aus anderen Perspektiven sieht, ob man es will oder nicht. Heute wusste sie, dass nichts im Leben jemals für immer war und dass selbst die wunderbarsten Träume
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