Das Amulett von Gan (German Edition)
unscheinbarste Geschenk, aber täuscht Euch nicht. Diese Kerze war schon vielen Menschen eine Hilfe in großer Not. Sie trägt den Namen Orah, denn sie bringt immer die Wahrheit an das Licht.«
Joe nahm die Kerze in seine Hand. Er konnte sich zwar nicht wirklich vorstellen, was die Worte Nebijahs bedeuteten, und an der Kerze konnte er überhaupt nichts Ungewöhnliches erkennen – aber er ahnte, dass sich hinter diesem Geschenk bestimmt ein spannendes Abenteuer verbarg. Glücklich bedankte er sich.
»Und nun zu Euch, Finn aus den nördlichen Landen.« Aus dengoldenen Tropfen über Nebijahs Hand entstand ein längliches goldenes Etui. Finn nahm es dankend an und öffnete es. In dem Etui befand sich eine wunderschöne, leuchtende silberne Feder. Neugierig und gleichsam verwirrt schaute er auf den seltsamen Gegenstand in seiner Hand.
»Eine Feder?«
»Nicht irgendeine Feder«, erklärte Nebijah. »Diese Feder stammt von Äbrah, dem silbernen Pelikan. Viele Geheimnisse und Geschichten ranken sich um diesen besonderen Vogel. Wenn Menschen in Not geraten, rufen sie oft › Äbrah – Hilf uns!‹. Tief in sich spüren sie noch die Kraft, die dieses geheimnisvolle Wesen umgibt. Aber gesehen …«, Nebijah schaute ernst die Träger der Amulette an, »gesehen hat ihn noch niemand. In den alten Schriften steht geschrieben: Ergreife die silberne Feder in der größten Not, und Hilfe wird dir entgegeneilen. «
Ehrfürchtig hielten die Gefährten die ihnen anvertrauten Schätze in den Händen. Sie sahen so unscheinbar aus – bis auf Jakar, doch auch er offenbarte auf den ersten Blick nicht, welche Macht ihm innewohnte. Waren sie wirklich die richtige Hilfe für ihre abenteuerliche Aufgabe? Wären Waffen wie Schwerter oder Pfeil und Bogen nicht viel nützlicher? Zumindest hatten die Helden in den Abenteuergeschichten, die sie aus Büchern und aus dem Fernsehen kannten, ganz andere Waffen. Finn, Pendo, Chika und Joe waren etwas ratlos. Sie wussten nicht so recht, was sie jetzt sagen sollten. Zum Glück richtete Nebijah erneut das Wort an sie:
»Ihr Kinder von den vier Enden der Erde, Ihr seid nun Gefährten auf einem gefährlichen Weg«, begann Nebijah. »Niemals zuvor wurde von den Trägern der Amulette solch ein Heldenmut verlangt. Verlasst nun diesen heiligen Ort. Dort, wo die Sonne aufgeht, werdet Ihr die Quelle der vier Lebensströme finden. Der, der ohne Namen ist, der Schöpfer aller Lebensströme, und Äbrah, seien mit Euch.«
Nebijah verneigte sich vor ihnen und, noch bevor die Kinderetwas erwidern konnten, löste sie sich vor ihren Augen in goldene Tropfen auf und verschwand.
»Aber ich habe doch noch so viele Fragen«, sagte Finn enttäuscht. »Warum hat sie nicht noch etwas gewartet?« Er raufte sich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck die Haare.
»Vielleicht haben wir alles erfahren, was wir wissen müssen«, meinte Pendo.
Kapitel 3
Die List der Bergmännchen
Die Träger der Amulette verließen den Garten in Richtung Osten, genau wie Nebijah es ihnen gesagt hatte. Da es noch früh am Morgen war, konnten sie anhand der Sonne leicht feststellen, in welche Richtung sie gehen mussten.
Chika fragte besorgt: »Wie finden wir denn später heraus, in welche Richtung wir gehen müssen, wenn die Sonne hoch am Himmel steht?«
»Das ist kein Problem, mit den Himmelsrichtungen kenne ich mich ziemlich gut aus«, meinte Joe. »Mein Vater hat mir das bei unzähligen Wanderungen beigebracht. Ich weiß zwar noch lange nicht so viel wie er, aber immerhin so viel, dass ich mich gut orientieren kann.« Das beruhigte Chika sehr, für die es ein Kinderspiel war, in Kyoto die richtige U-Bahn zu finden, die sich aber mit Wanderungen in der freien Natur überhaupt nicht auskannte.
Zwar hatte Nebijah die vier Gefährten vor finsteren Mächten und Gestalten gewarnt, die in das Land Gan eingedrungen seien,aber jetzt, wo sie durch die schönen Wälder und Wiesen wanderten, war das alles weit weg. Selbst Chika vergaß ihre Sorgen und ließ Pendos Hand los, an der sie sich seit Beginn der Wanderung festgehalten hatte. Die wunderschöne Landschaft begeisterte sie zu sehr. Jeder von ihnen kam aus einer anderen Umgebung: Finn aus Deutschland mit seinen Bergen und Hügeln und der Nordsee, die er so liebte, Pendo aus Südafrika mit seinem sonnigen, trockenen Klima und dem Atlantischen und dem Indischen Ozean, Chochuschuvio aus der trockenen Hochlandebene des Colorado-Plateaus und Chika aus Japan mit seinen zahlreichen Inseln und
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