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Das Anastasia-Syndrom

Titel: Das Anastasia-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Gedächtnisverlust. Sie besitzen eine enorme Konzentrationsfä-
    higkeit. Das wurde zu Anfang der Hypnose deutlich. Sie haben mir selber erzählt, daß Sie beim Arbeiten überhaupt nicht merken, wie die Zeit vergeht.«
    »Das stimmt«, bestätigte Judith. »Aber es ist eins, wenn das passiert, während ich am Schreibtisch sitze, und etwas völlig anderes, um 14 Uhr am Trafalgar Square zu stehen und mich um 21 Uhr 30 in einer Kneipe in Soho wiederzufinden. Ich komme jetzt zu Ihnen in die Praxis.«
    Diesmal trug sie beigefarbene Hosen, einen gleichfarbigen Kaschmirpullover mit einem an der Schulter geknoteten Schal in Beige, Braun und Gelb und braune Stiefel. Sie knöpfte den Burberrry zu, schnallte den Gürtel um; er gab ihr ein warmes, angenehm vertrautes Gefühl, und sie bedauerte wiederum, dreihundert Pfund für das Cape ausgegeben zu haben.
    In Patels Praxis erkundigte sich Rebecca verblüfft: »Sie haben doch sicher nicht vor, ihr die Bandaufzeichnung zu zeigen?«
    »Nur bis zu der Stelle, wo sie in die Kindheit zurückversetzt wurde. Sie stellt bereits Fragen, Rebecca. Sie hat sich ganz auf diesen Aspekt konzentriert und nicht darauf, was ihr widerfahren sein mag. Wir wissen nach wie vor nicht, wie man ihr helfen kann. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir nicht irgendwie eruieren können, wer diese zweite Persönlichkeit in ihr ist. Kopieren Sie jetzt rasch das Band bis zu der Stelle, wo ich ihr den ersten Befehl zum Aufwachen erteile.«

    Im Taxi wurde Judith auf dem Weg in Patels Praxis klar, daß sie zutiefst beunruhigt war. Er hatte ihr eine Droge verabreicht. Sie erinnerte sich an die Artikelserien, die sie seinerzeit als Journalistin über LSD und dessen Wirkungen geschrieben hatte. Sie bemühte sich, die Folgeerscheinungen zu rekonstruieren. Halluzinationen, Gedächtnisverlust, Blackouts. Mein Gott, dachte sie, was habe ich mir selbst angetan?
    Doch als sie kurz darauf vor dem Bildschirm saß, war sie zu-innerst aufgewühlt durch das, was sie wahrnahm. Patels gezielte Fragen. Ihre eingehenden Berichte über Geburtstage, die Ehe mit Kenneth, ihre Adoptiveltern. Die Art, wie Patel sie schritt-weise in die frühe Kindheit zurückführte. Ihr offensichtliches Zögern, über den Bombenangriff zu reden. Tränen brannten ihr in den Augen, als sie in hypnotisiertem Zustand um ihre Mutter und Schwester weinte. Und dann wurde ihr etwas klar. Die Namen. Molly. Marrish. »Stop. Halten Sie bitte das Band an.«
    »Selbstverständlich.« Rebecca drückte die entsprechende Taste auf der Fernbedienung.
    »Können Sie zurückspulen? Ich erinnere mich nämlich, daß ich als Kind einen Sprachfehler hatte. Ich soll große Schwierig-keiten mit dem P gehabt haben. Als ich den Namen meiner Schwester auf dem Band hörte, war ich mir nicht sicher, ob es
    ›Molly‹ oder ›Tolly‹ heißen sollte. Und stellen Sie den Ton lauter, wo ich ›Marrish‹ oder ›Marsh‹ sage. Das kommt wirklich nicht ganz deutlich, oder?«
    Gespannt beobachteten sie den Ablauf. »Durchaus möglich«, meinte Patel. »Vielleicht haben Sie sich bemüht, so etwas wie
    ›Parrish‹ zu sagen.«
    Judith stand auf. »Zumindest ist da noch eine Alternative durchzukämmen – nachdem ich Marsh und Marrish und March und Markey und Markham und Marmac und wer weiß wie viele sonst noch abgehakt habe. Sagen Sie’s mir offen, Doktor. Gibt es etwas, das ich über die Behandlung wissen sollte? Warum sind wir gestern diese Stunden einfach verlorengegangen?«
    Sie spürte, daß Patel jedes Wort sorgfältig abwog. Er saß an dem schweren Schreibtisch und spielte mit einem Brieföffner.
    Sie bemerkte den Tisch und den Spiegel in der Ecke. Auf diesen Tisch war sie zugegangen, als ihr das kleine Kind erschien.
    Reza Patel beobachtete Judiths Blickrichtung und wußte genau, was sie dachte. Erleichtert erkannte er, daß er einen Weg gefunden hatte, ihr zu antworten. »Sie sind vorige Woche zu mir gekommen, weil Sie wiederholt Halluzinationen hatten, die ich lieber als Gedächtnisdurchbrüche bezeichnen würde. Dieser Prozeß geht weiter, eventuell in leicht veränderter Form. Gestern waren Sie unterwegs zum Standesamt. Sie hatten dort bereits eine heftige Enttäuschung erlitten. Ich möchte annehmen, daß Sie wahrscheinlich abermals hingegangen sind und die Register zum zweiten Mal ergebnislos durchgesehen haben. Ich glaube, deshalb hat Ihre Psyche zur erprobten Selbstschutzmaß-
    nahme gegriffen und abgeblockt. Vielleicht haben Sie heute etwas Wichtiges erkannt,

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