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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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haben Sie frei?«
    »Ich habe mir freigenommen. Um nachzudenken. Weil ... ich mich kaum noch konzentrieren kann.
    Kaum noch schlafen kann.«
    Jennifer winkte der Kellnerin und bestellte zwei weitere Tassen Kaffee. Es konnte länger dauern
    mit Ena. Sie hatte es geahnt.
    »Wie lange sind Sie mit Stan schon zusammen?«
    Ena musste nicht nachdenken. »Seit dem zwanzigsten August. Einem Mittwoch. Er hat mich nach dem
    Kurs zu einem Glas Wein eingeladen und mir dann erklärt, dass er ... dass er sich in mich
    verliebt hat.«
    »Kam das überraschend für Sie?«
    »Gwen hatte die ganze Zeit behauptet, er habe ein Auge auf mich geworfen. Ich hatte mich ein
    wenig mit Gwen angefreundet. Und seit Anfang August war ja diese Baufirma in der Schule tätig.
    Sie haben in fast allen Gebäuden Wände versetzt und Räume vergrößert, daher zog sich das hin.
    Stan war immer noch da, wenn alle anderen schon weg waren. Und machte sich stets mit ziemlich
    fadenscheinigen Beschäftigungen vor dem Raum zu schaffen, in dem wir unseren Kurs abhielten. Er
    schaute mich an ... ja, das habe ich selber bemerkt. Das war sehr neu für mich. Dass ein Mann
    mich anschaut, meine ich.«
    »Aber Sie waren immer nur mittwochs dort. Er kann Sie nicht allzu oft gesehen haben, ehe er
    Ihnen seine Gefühle offenbarte.«
    »Nein. Das machte mich auch skeptisch. Aber Stan glaubt an die Liebe auf
    den ersten Blick. Er sagt, er weiß es sofort, wenn er eine Frau lie bt. Es passiert bei ihm in der ersten Sekunde oder gar
    nicht. Und bei mir ... war es eben die erste Sekunde.«
    »Sie glauben ihm das nicht?«
    »Doch«, sagte Ena unbehaglich, »schon ... «
    Die Kellnerin brachte den Kaffee. Jennifer rührte in ihrer Tasse, ohne dass sie Milch oder
    Zucker hätte auflösen müssen. Sie trank ihn schwarz. Aber irgendwie musste sie ihre Hände
    beschäftigen.
    »Aber? Ena, was stört Sie so? Warum wirken Sie so ... unglücklich, verzagt. Warum erwägen Sie
    die Trennung?«
    Ena zögerte. »Ich kann nicht mehr atmen«, sagte sie schließlich. »Er belagert mich ganz und
    gar. Er bestimmt alles. Er legt fest, was wir essen. Was wir trinken. Ob wir ausgehen oder
    nicht. Was wir im Fernsehen anschauen. Wann wir schlafen gehen. Wann wir aufstehen. Was ich
    anziehen soll. Wie ich meine Haare kämmen soll. Alles. Verstehen Sie? Es gibt buchstäblich
    nichts mehr, was ich selbst entscheide. Es sei denn, er ist bei der Arbeit. Dann kann ich so
    etwas machen wie jetzt - einfach hier sitzen und mit Ihnen Kaffee trinken. Aber heute Abend
    wird er einen minutiösen Bericht über meinen Tagesablauf haben wollen. Er weiß, dass ich heute
    nicht arbeite. Ihm das zu verheimlichen, wäre unmöglich gewesen, denn er ruft mich oft im Büro
    an. So oft, dass mein Chef schon ärgerlich ist. Aber als ich ihm das gesagt habe, ist er wütend
    geworden. Er meinte, ich solle mir eine neue Stelle suchen. Er werde mich auch in Zukunft
    anrufen, so oft er möchte.«
    Sie schwieg kurz und fuhr dann leiser fort: »Gleichzeitig ist er sehr fürsorglich. Und dann
    habe ich wieder ein schlechtes Gewissen. Und frage mich, ob ich mir das alles nicht nur
    einbilde. Vielleicht brauche ich einfach Zeit, um mich daran zu gewöhnen, dass es jemanden gibt
    in meinem Leben. Vielleicht ist er ganz normal. Und ich reagiere hysterisch, weil ich schon so
    verschroben bin, dass ich ... « Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
    Jennifer hatte einen Verdacht: »Ist es das, was er sagt? Dass Sie hysterisch sind und verschroben? Dass er
    hingegen ganz normal agiert?«
    »Er deutet es an, ja.«
    Jennifer versuchte ihre Worte sehr vorsichtig zu setzen: »Ena, ich kenne Sie kaum. Und Ihren
    Freund auch nicht. Im Grunde dürfte ich mir keine Beurteilung der Situation erlauben, und,
    ehrlich gesagt, fühle ich mich im Moment auch in etwas hineingezogen, das mich eigentlich
    überfordert. Aber was Sie erzählen ... nun, auch ich hatte bei ihm spontan den Eindruck einer
    ausgeprägten Dominanz. Er mag es gut meinen, aber er achtet zu wenig darauf, was Sie wollen,
    was für ein Mensch Sie eigentlich sind. Vielleicht müssen Sie die Beziehung nicht gleich
    beenden. Aber auf Abstand gehen. Sich eine Pause erbitten. Herausfinden, was Sie fühlen, wenn
    Sie ihn ein paar Wochen lang nicht sehen. Das gibt auch ihm die Chance, über sich nachzudenken.
    Sein Verhalten zu ändern. Vielleicht ist ihm gar nicht bewusst, wie sehr er Sie
    erstickt.«
    Ena wirkte skeptisch. »Er wird damit nicht einverstanden sein.«
    »Er wird es

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