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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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als falsch erwiesen. Wir müssen ihn unbedingt
    sprechen.« Leslie konnte für einen Moment nichts erwidern. Ihr Mund fühlte sich trocken an, sie
    schluckte verkrampft. »Haben Sie mich gehört?«, fragte Valerie.
    »Ja. Ja, ich habe Sie gehört. Aber es ist schwierig ... ich bin gleich bei Ihnen, Inspector.«
    Damit schaltete sie ihr Handy aus, ließ es in ihre Tasche zurückgleiten.
    Sie merkte, dass ihr Herz schneller klopfte.
    Sie kannte die Geschichte, die er Valerie Almond aufgetischt hatte. Dieselbe, die er auch ihr
    am Morgen präsentiert hatte: die Liebesnacht mit seiner Exfreundin. Eine Geschichte, bei der
    jeder nachvollziehen konnte, dass er damit zunächst hinter dem Berg gehalten hatte, brachte sie
    doch seine Beziehung zu Gwen erheblich in Gefahr. Erst als die Situation für ihn eng geworden
    war, hatte er sein Ass aus dem Ärmel gezogen. Und nun? Spielte seine Ex nicht mit? Irgendetwas
    musste geschehen sein, weshalb Valerie ihm nicht mehr glaubte. Und sogar nach ihm fahnden
    ließ.
    Er hatte schon wieder gelogen. Er hatte gelogen, als sie ihn nach Semira gefragt hatte. Er
    hatte gelogen, was seinen Aufenthaltsort zur Tatzeit anging. Er hatte gleich zu Anfang gelogen,
    als er behauptet hatte, er habe die ganze Nacht friedlich in seinem eigenen Bett
    verbracht.
    Er log, wann immer er den Mund aufmachte.
    Und sie hatte ihn zur Beckett-Farm gebracht. Hatte ihn dort allein zurückgelassen - zusammen
    mit Chad Beckett, dem Mann, von dem sie noch vor wenigen Minuten gedacht hatte, dass er in
    höchster Gefahr schweben mochte. Chad, der alt und schwerfällig war. Dave Tanner körperlich
    absolut nicht gewachsen. Sie ließ den Motor an. Die Räder drehten auf dem sandigen Waldweg
    durch, als sie Gas gab. Dann schoss der Wagen kreischend auf die Straße. Sie jagte den Motor
    sofort hoch, fuhr schnell, viel schneller als erlaubt. Als sie an die schmale Landstraße kam,
    die hinüber nach Staintondale führte, blieb sie nicht auf der Hauptstraße nach Scarborough. Sie
    bog ab. Sie musste Gewissheit haben.
    Detective Inspector Almond würde noch etwas warten müssen.
    Als Erstes fiel ihr auf, dass der Wagen der Brankleys noch immer nicht auf dem Hof parkte,
    genauso wie am Mittag. Konnte es sein, dass Gwen und Jennifer noch immer nicht aus der Stadt
    zurück waren? Es war jetzt kurz nach sieben, wo, um alles in der Welt, trieben sie sich den
    ganzen Tag herum?
    Sie hielt an und stieg aus.
    Es blieb still, und sie fragte sich, weshalb diese Stille sie irritierte, bis ihr aufging, dass
    sie sich während der letzten Tage an das Gebell der Hunde gewöhnt hatte. Jennifers Doggen. Sie
    schlugen lautstark an, wann immer jemand auf den Hof kam. Heute Mittag allerdings hatten sie es
    nicht getan, aber wie sich herausgestellt hatte, war Colin da mit ihnen unterwegs gewesen. Ob
    er jetzt wieder mit ihnen spazieren ging?
    Bei dieser Dunkelheit?
    Im Haus schien kein Licht zu brennen, aber das musste nichts besagen, da man die rückwärtigen
    Fenster von der Hofseite aus nicht sehen konnte. Sie klopfte an die Tür, der Form halber wie
    immer, und trat dann einfach ein.
    Sie knipste das Licht an. Irgendwie kam ihr das Haus seltsam verlassen vor, als rege sich kein
    Atemzug, als schlage kein Herz darin.
    Die Hunde, dachte sie, es sind wirklich die Hunde, die fehlen. Wenn man zwei riesige, quirlige
    Doggen erwartet, die einem entgegenspringen und das Gesicht ablecken wollen, hat man natürlich
    das Gefühl, in ein Mausoleum zu kommen, wenn sie plötzlich nicht da sind.
    S ie fragte sich, weshalb sie ausgerechnet an
    den Begriff Mausoleum gedacht hatte, schob die Überlegung dann jedoch rasch beiseite. Sie
    durfte sich jetzt nicht in irgendwelche Schreckensfantasien hineinsteigern.
    »Dave?«, rief sie. Ihre Stimme klang viel zu leise. Sie räusperte sich.
    »Dave?«, rief sie lauter. »Chad?«
    Nichts und niemand rührte sich. Sie ging den Gang entlang, schaute in die Küche, schaltete auch
    hier das Licht ein. Leer. Unaufgeräumt. Schmuddelig und chaotisch wie immer. Es sah jedoch
    nicht so aus, als habe jemand ein Abendessen vorbereitet.
    Auch das danebenliegende Wohnzimmer war leer. Der Geruch nach verbranntem Holz verriet Leslie,
    dass den Tag über ein Feuer im Kamin gebrannt haben musste. Sie sah, dass noch ein paar Funken
    in der Asche glommen. Dann entdeckte sie zwei leere Kaffeetassen auf dem Tisch, und irgendwie
    empfand sie diesen Anblick als beruhigend. Zwei Kaffeetassen und ein Feuer, damit assoziierte
    man eine

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