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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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Fugen gesickert war. Das dünne
    blaue Hemd, das Chad trug, war durchtränkt von Blut, aber soweit Leslie das feststellen konnte,
    war die Blutung inzwischen zum Stillstand gekommen, so dass sie in dieser Hinsicht für den
    Moment keine notärztliche Erstversorgung leisten musste. Ein Messerstich oder eine Kugel,
    mutmaßte sie, es gab keine harmlosere Erklärung, und das bedeutete, dass er angegriffen worden
    war, nachdem sie ihn verlassen hatte.
    Wer immer das getan hatte, er mochte noch in der Nähe sein.
    Sie bemühte sich, nicht hysterisch zu werden und sofort aus dem H aus und zu ihrem Auto zu stürzen. Sie musste
    Krankenwagen und Polizei herbeitelefonieren, und sie durfte Chad nicht allein lassen. Sein
    Zustand war kritisch, er hatte viel Blut verloren, und sie hatte keine Ahnung, welche inneren
    Verletzungen er davongetragen hatte.
    Sie berührte sanft seine Wange. »Chad! Ich bin's, Leslie. Chad, was ist geschehen?«
    Wieder begannen seine Lider zu flattern, aber diesmal gelang es ihm, seine Augen zu öffnen.
    Sein Blick war verschwommen und unstet. Er stand unter Schock. »Leslie«, flüsterte er. Sie
    hielt seinen Kopf in ihrem Schoß. »Alles wird gut, Chad. Ich hole Hilfe. Du kommst ins
    Krankenhaus ... « Sein Blick wurde ein wenig klarer. »Dave«, flüsterte er. Das Sprechen schien
    ihm größte Anstrengung zu bereiten. »Dave ... er... «
    »Ja, Chad, du ... « »Er ... ist ... noch ... « Sein Blick wurde
    verschwommen, er schien noch mehr sagen zu wollen, aber seine Zunge
    ver sagte ihren Dienst, er brachte nur noch ein unverständliches
    Lallen hervor.
    Doch Leslie hatte auch so begriffen, was er sie hatte wissen lassen wollen: Dave Tanner war
    hier. Er trieb sich noch auf der Farm herum, nachdem er Chad lebensgefährlich verletzt hatte,
    und vermutlich suchte er sie, Leslie. Ihr Auto parkte gut sichtbar mitten auf dem Hof. Er
    wusste, dass sie da war. Er wusste, wie gefährlich sie ihm werden konnte.
    Hatte er das Haus nach ihr abgesucht und war nun draußen, bewegte sich als ein lautloser
    Schatten zwischen den Schuppen und Ställen, hatte vielleicht eine Taschenlampe, leuchtete in
    verborgene Winkel und Ecken, ahnte, dass sie ihm zu entkommen versuchen würde? Oder war er noch
    im Haus? Oben vielleicht, in einem der Schlafzimmer?
    Sie wusste, dass man sich zumindest im oberen Stockwerk dieses Hauses kaum bewegen konnte, ohne
    ein Knacken in einem der Dielenbretter zu verursachen; es war praktisch unmöglich, lautlos
    durch die Räume zu schleichen. Sie lauschte nach oben, vernahm jedoch nichts als das Rauschen
    des Blutes in ihren Ohren.
    Sie musste jetzt das Richtige tun. Sie durfte kein Risiko eingehen.
    Sie ließ Chads Kopf vorsichtig auf den Boden zurückgleiten, stand auf und war blitzschnell an
    der Tür. Schloss sie und drehte den Schlüssel herum, lehnte sich aufatmend von innen dagegen.
    Ein winziges Stück Sicherheit, ein Zeitgewinn vielleicht. Sie zweifelte nicht, dass Dave die
    altersschwache Tür aufbrechen konnte, aber es würde ihn Minuten kosten. Minuten konnten in
    einer Situation wie dieser lebensentscheidend sein.
    Sie schaltete das Licht nun aus. Falls Dave da draußen herumschlich, mochte sie sich ihm durch
    das Fenster nicht wie auf einem Präsentierteller anbieten. Zumal er möglicherweise im Besitz
    einer Schusswaffe war.
    Sie tastete an ihrem Handy herum. Kein Netzempfang. Staintondale und besonders die Beckett-Farm
    waren zum Verrücktwerden, was die Netzverbindungen anging. Sie versuchte es an einer anderen
    Stelle des Zimmers, hatte aber ebenfalls keinen Erfolg. Selbst in Fensternähe wurde es nicht
    besser. Sie wusste, dass sie eine Chance hätte, wenn sie auf den Hof hinaus und in Richtung
    Straße ging, aber dies zu tun hätte bedeutet, das volle Risiko eines Zusammentreffens mit Dave
    einzugehen. Er war noch hier, er hatte bereits einen Menschen umzubringen versucht, und er
    würde nicht dastehen und friedlich zusehen, wie sie die Polizei herbeitelefonierte. Sie gab
    Valeries Nummer dennoch ein, aber erwartungsgemäß kam die Verbindung nicht zustande. Sie
    probierte es mit dem Polizeinotruf, aber nicht einmal der funktionierte. Um ein Haar hätte sie
    das nutzlose Gerät wütend durchs Zimmer geworfen, aber sie beherrschte sich im letzten Moment.
    Wer wusste, wozu sie es noch brauchen würde.
    Ihre Augen hatten sich einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt, als Schatten
    konnte sie Chad auf dem Boden liegen sehen, völlig reglos, möglicherweise ohne

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