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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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Bewusstsein. Es
    sah schlecht für ihn aus, wenn er nicht bald Hilfe bekam, und obwohl selbst Ärztin, konnte sie
    in dieser Situation, an diesem Ort praktisch nichts für ihn tun. Sogar ihn auf das Sofa zu
    schaffen und bequemer zu betten erschien ihr zu gefährlich, da sie nicht wusste, welche Art
    Verletzungen er davongetragen hatte. Und sie hatte nichts, keinen Verband, nichts. Nur ein
    Telefon, das hier keinen Empfang bekam. Und ein Verrü ckter lief
    irgendwo da draußen herum und durfte nicht zulassen, dass sie entkam
    oder Hilfe holte. Warum tat er das? Warum Chad? Warum - höchstwahrscheinlich - auch Fiona? War
    er tatsächlich im Auftrag von Semira Newton unterwegs, die ihren Wunsch nach Rache zu
    befriedigen suchte - ungeachtet ihrer Worte, niemals hätte sie Fiona das Alter mit all seinen
    Beschwerlichkeiten ersparen wollen? Oder hatte Dave Fiona auf eigene Initiative getötet, hatte
    sich dann gestern bei Semira erboten, auch Chad seiner verdienten Strafe zuzuführen? Oder
    stimmte es nicht, was Semira behauptet hatte, war Dave viel früher bei ihr gewesen? Stimmte
    auch die Geschichte nicht, er habe sich als Journalist ausgegeben? Waren Dave und die alte Frau
    in Robin Hood's Bay eine viel raffiniertere, heimtückischere Paarung, als es sich Leslie
    vorstellen konnte? Aber weshalb hatte Semira dann überhaupt erzählt, dass er bei ihr gewesen
    war? Logischer wäre es gewesen, niemand hätte je von dem Kontakt erfahren.
    Und wenn es nicht Semira war, die dahinter stand? Wenn Dave aus eigenem Antrieb handelte?
    Leslie betrachtete den reglosen Chad. Der Mann, der zwischen Daves Wunsch, die Beckett-Farm zu
    besitzen, und der Erfüllung desselben stand. Lag hier der Kern des Dramas? Dave war bereit,
    eine Frau zu heiraten, an der ihm nichts lag, nur um endlich eine Perspektive in seinem Leben
    zu finden. Über das Land verfügen konnte er jedoch erst, wenn sein Schwiegervater das Zeitliche
    segnete. Hatte er diesen Zeitpunkt nicht abwarten wollen? Hatte er Fiona ermordet, damit sie
    ihm seine Pläne mit ihrer spitzen Zunge nicht verdarb, und Chad, damit der Weg sofort und ohne
    Wartefrist frei wurde? Aber wo, um Himmels willen, war Gwens Rolle in dieser Geschichte?
    Unwahrscheinlich, dass er ihren geliebten Vater vor ihren Augen abgeknallt hatte. Andererseits
    durfte er Gwen selbst nichts antun, denn sie und die Ehe mit ihr brauchte er, um
    überhaupt dorthin zu gelangen, wohin er wollte.
    Wo war Gwen?
    Nicht der Moment, darüber nachzudenken, entschied sie. Nicht der Moment, da sie das Rätsel
    würde lösen können. Sie musste telefonieren. Das war der nächste und der absolut notwendige
    Schritt, nichts anderes.
    Im Arbeitszimmer stand das Telefon. Die Frage war, ob sie es riskieren
    konnte, das Wohnzimmer, in dem sie sich für den Moment halbwegs sicher fühlte, zu verlassen,
    über den Gang zu huschen, sich im Büro zu verbarrikadieren und den Anruf zu tätigen. Wenn sie
    Dave dabei begegnete, war sie verloren. Sie machte sich nichts vor: Er konnte sie gar nicht am
    Leben lassen. Sie stellte die größte Gefahr für ihn dar. Er musste sie ausschalten, und sie
    zweifelte nicht, dass er es ohne Zögern tun würde. Auch wenn es ihr nicht gelang, ihn wirklich
    zu durchschauen, so schien es ihr doch sicher, dass er ein brisantes Spiel spielte, bei dem es
    für ihn um alles oder nichts ging, und dass er sein Handeln vermutlich langfristig geplant und
    in all seinen Konsequenzen durchdacht hatte. Worin auch immer für ihn der Gewinn bestand, er
    würde sich auf der Zielgeraden nicht aus der Bahn werfen lassen. Er war gefährlich, grausam und
    amoralisch. Sein ewiges Lügen stellte nur die Spitze des Eisbergs dar. Die Alternative für
    Leslie bestand darin, in diesem Zimmer zu bleiben und zu hoffen, dass Hilfe auftauchen würde -
    aber sie hatte keine Ahnung, wann das sein würde und ob überhaupt eine Aussicht darauf bestand.
    Was würde Valerie Almond tun, nachdem Leslie nun, entgegen ihrer Ankündigung, nicht in der
    Pizzeria erschienen war, wo sie längst hätte aufkreuzen müssen? Wahrscheinlich versuchte sie,
    sie telefonisch zu erreichen, was nicht funk tionieren konnte. Vielleicht würde sie zur Prince-of-Wales-Terrace fahren und Sturm
    läuten, aber niemand würde öffnen. Würde sie sich Sorgen machen? Und käme sie auf die Idee, zur
    Beckett-Farm zu fahren?
    Die Brankleys waren fort. Was aus Gwen geworden war, wusste sie nicht. Damit war die Hoffnung
    auf Hilfe minimal geworden. Minimal waren auch

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