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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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Selbstmord gehörten. Und
    wer wusste wirklich darüber Bescheid, was in Gwen vorging? Wer hatte es je
    gewusst?
    Sie kam besser voran, als sie wieder über die Wiesen laufen konnte. War sie vorher geeilt, so
    rannte sie nun. Sie vernahm den dumpfen Klang ihrer Schritte auf dem Wiesengrund und ihren
    eigenen keuchenden Atem. Sie hatte eine lausige Kondition, wie ihr bewusst war, und obwohl dies
    im Moment überhaupt keine Rolle spielte, nahm sie sich vor, in Zukunft regelmäßig zu joggen.
    Sie wunderte sich selbst über diesen Gedanken, sagte sich aber, dass es vielleicht nicht
    untypisch war, sich an einem Stück Banalität festzuhalten, wenn Angst in Panik überzugehen
    drohte. Sie überlegte, ob sich ihre alte Jogginghose noch irgendwo in ihrem Kleiderschrank
    befand, weil das für den Moment ein klein wenig Erleichterung bot: Alles andere, worüber sie
    eigentlich hätte nachdenken müssen, barg zu viel Entsetzen.
    Sie blieb stehen, als sie die Farm unterhalb des Hügels, auf dem sie stand, liegen sah. Dunkel
    alles, vollkommen dunkel. Schwach erkannte sie das Dach des Wohnhauses, daneben die Dächer der
    Stallgebäude und den Schuppen. Nichts schien sich dort zu regen. Wo war die Polizei? Autos,
    Scheinwerfer, Taschenlampen, die sich hin und her bewegten, Flutlicht, eine Stimme, die durch
    ein Megafon brüllte ...
    Lieber Himmel, Leslie, hast du ernsthaft geglaubt, die rücken hier mit einer Hundertschaft an,
    nur weil Chad bei Valerie Almond anruft und erklärt, seine Tochter und ihr Verlobter seien seit
    ein paar Stunden abgängig?
    Aber immerhin lief eine Fahndung nach dem Verlobten. Ein Beamter wenigstens sollte auf der Farm
    inzwischen aufgekreuzt sein. Vielleicht Valerie selbst, die ohnehin auf ein Treffen wartete. Aß
    sie in aller Gemütsruhe ihre Pizza auf, ehe sie sich ins Auto schwang und nach Staintondale
    brauste?
    Leslie lief den Hügel hinunter, rannte durch das Tor auf den Hof. Als tiefschwarzen Schatten
    konnte sie ihr Auto dicht hinter der Einfahrt parken sehen, ein gutes Stück dahinter den Jeep
    von Chad. Sonst nichts, kein weiteres Auto. Es war keine Polizei da, weder Valerie Almond noch
    sonst jemand.
    Vielleicht hatte Chad verspätet angerufen. Oder er hatte gar nicht angerufen, hatte den Auftrag
    in dem Moment vergessen, in dem sie, Leslie, zur Tür hinausgeeilt war. Das sähe ihm
    ähnlich.
    Sie lief zur Haustür, riss sie auf Wieso war sie nicht mehr abgeschlossen? Sie hatte doch
    selbst gehört, wie Chad den Schlüssel umgedreht hatte. »Chad?«
    Keine Antwort. Der Flur war dunkel und leer.
    Sie hatte das Licht brennen lassen, als sie gegangen war, das wusste sie genau, aber es mochte
    sein, dass Chad es in seiner sparsamen Art gelöscht hatte.
    Sie schaltete es ein, lief den Gang entlang. Die Tür zu Chads Arbeitszimmer war angelehnt, sie
    schob sie vorsichtig auf und spähte hinein. Leer. Die Schreibtischlampe brannte, der Computer
    war eingeschaltet, sie konnte es an dem leisen Brummen erkennen.
    »Chad?«, fragte sie noch einmal.
    Sie betrat die Küche, knipste die Deckenlampe an. Das Licht sollte brennen - sie fühlte sich
    ein wenig sicherer, wenn das Haus nicht völlig im Dunkeln lag.
    Warum antwortete Chad nicht?
    Irgendetwas war falsch. Chad ließ nicht seinen Computer laufen und das Licht eingeschaltet und
    ging einfach ins Bett - Chad, der die Sparsamkeit so weit trieb, dass man manchmal verrückt
    werden konnte. Er musste hier irgendwo ganz in der Nähe sein, und es gab keinen Grund, weshalb
    er sich vor Leslie verstecken sollte.
    »Chad?« Sie rief seinen Namen erneut und stellte fest, dass ihre Stimme ängstlich
    klang.
    Sie trat ins Wohnzimmer, machte auch hier Licht - und sah Chad mitten im Raum auf dem Fußboden
    liegen. Er lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gewandt, so dass sie sein wachsbleiches
    Gesicht sehen konnte. Seine Augen waren geschlossen, die Arme schienen eng an seinen Körper
    gepresst.
    Sie starrte ihn an, für einen Augenblick zu erschrocken, um etwas zu tun, doch dann kam
    Bewegung in sie, mit zwei Schritten war sie neben ihm, kniete nieder und fühlte reflexartig
    sofort den Puls. Er war sehr schwach, aber zumindest noch tastbar. Sehr vorsichtig drehte sie
    ihn zu sich um.
    »Chad! Was ist passiert?«
    Seine Augenlider flackerten. Leslie spürte, dass sie in etwas Warmes, Klebriges gegriffen
    hatte, und hob ihre rechte Hand. Sie war rot von Blut, und nun war auch das Blut auf dem Boden
    zu sehen, das sich auf den Steinen verteilt hatte und in die

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