Das andere Kind
zukommen und sie wenigstens für einen Augenblick in die Arme nehmen, aber er
machte keine Anstalten. Er blieb an der Tür, zog nicht einmal seine Jacke aus. Er wollte ihr
keinesfalls das Signal geben, er sei zu einem längeren Gespräch mit ihr bereit.
»Hallo,
Dave«, erwiderte Karen schließlich seinen Gruß, »entschuldige, dass ich einfach so ... « Sie
ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen. Dave tat ihr nicht den Gefallen, die Entschuldigung
für ihr ungebetenes Erscheinen von der er sowieso wusste, dass sie nur eine Floskel war
anzunehmen.
Er blieb
stumm. Mit einem hilflosen Gesichtsausdruck sah sich Karen in dem wenig anheimelnden Zimmer um.
»Hier sieht es ja noch schlimmer aus als bei meinem letzten Besuch«, bemerkte sie.
Typisch. Sie
musste immer nörgeln. Weil er zu viel Wein trank, zu selten aufräumte, zu lange schlief oder zu
wenig Ehrgeiz zeigte, oder, oder, oder.
»Ist ja auch
eine Weile her, seit du zuletzt hier warst«, entgegnete er, »und seitdem hat niemand mehr
hinter mir hergeräumt.« Was ich sehr begrüßt habe, fugte er in Gedanken hinzu. Seine Antwort
war ein Fehler gewesen, den er sofort begriff, als Karen ziemlich spitz erwiderte: »Wie man es
nimmt, Dave. Soviel ich mich erinnere, ist mein letzter Besuch genau eine Woche
her.«
Idiot, der er
war. In der letzten Woche hatte er wieder eine ziemliche Dummheit begangen, obwohl er sich fest
vorgenommen hatte, dass ihm dies bei Karen nicht mehr passieren sollte. Er hatte sie auf einem
Kneipenstreifzug am späten Abend zufällig in einem Pub getroffen, im Newcastle Packet unten am
Hafen, wo sie neuerdings als Bedienung jobbte. Er hatte gewartet, bis sie fertig war, hatte
dann noch ein paar Gläser mit ihr getrunken und sie schließlich mit in sein Zimmer genommen.
Dort mit ihr geschlafen, ziemlich wild und enthemmt, wie er sich vage erinnerte. Seit er Ende
Juli Schluss mit ihr gemacht hatte, war es ein paar Mal zu Treffen gekommen, einfach deshalb,
weil es sich mit ihr gut reden, lachen und schlafen ließ, und weil er manchmal eine Ablenkung
von dem drögen Zusammensein mit Gwen gebraucht hatte. Aber es war nicht fair gewesen gegenüber
Karen, und er ärgerte sich, dass er erneut schwach geworden war. Kein Wunder, dass sie glaubte,
die Beziehung zu ihm wiederaufnehmen zu können.
»Also,
weshalb hast du hier auf mich gewartet?«, fragte er, obwohl er es wusste.
»Kannst du
dir das nicht denken?«
»Ehrlich
gesagt - nein.«
Sie sah ihn
so verletzt an, als habe er sie geohrfeigt. Er riss sich zusammen. »Karen ... es tut mir leid
wegen letzter Woche. Wenn es ... das ist, weshalb du hier bist. Ich hatte ein paar Gläser zu
viel erwischt. Aber es hat sich nichts geändert. Unsere Beziehung ist vorbei.«
Sie zuckte
ein wenig unter seinen Worten, hatte sich aber unter Kontrolle. »Als du im Juli Schluss gemacht
hast, von heute auf morgen übrigens, da wollte ich nur eines wissen. Erinnerst du dich? Ich
wollte wissen, ob es eine andere Frau gibt.«
»Ja. Und?«
»Du hast behauptet, es gebe keine. Die Trennung habe ausschließlich mit uns beiden zu tun.«
»Ich weiß, was ich gesagt habe. Wieso musst du alles noch einmal aufwärmen?«
»Weil ... «
Sie zögerte. »Weil mir inzwischen von mehreren Seiten zugetragen wurde, dass es da doch
jemanden gibt in deinem Leben. Du bist mehrfach mit einer anderen Frau gesehen worden in den
letzten Wochen. Sie soll nicht mehr ganz jung und ziemlich unscheinbar sein.«
Er hasste
Gespräche dieser Art. Kam sich vor wie in einem Verhör.
»Und wenn?«,
gab er aggressiv zurück. »Wo steht denn geschrieben, dass ich nach der Affäre mit dir nie
wieder etwas mit einer anderen Frau anfangen darf?«
»Eineinhalb
Jahre sind keine Affäre.«
»Nenn es, wie
du willst. Auf jeden Fall ... «
»Auf jeden
Fall glaube ich dir nicht, dass diese ... Bekanntschaft so neu ist. Du hast dich am 25. Juli
von mir getrennt. Heute ist der 10. Oktober.«
»Ja. Es sind
bald drei Monate vergangen.«
Sie sah ihn
abwartend an. Er fühlte sich in die Enge getrieben, merkte, wie er immer wütender wurde. Bei
allem, was er ohnehin gerade am Hals hatte ... als ob sein Leben nicht auch so schon Ärger
genug bereithielte. »Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, sagte er kühl. Ihre Lippen
zitterten. Lass sie nicht heulen, lieber Gott, dachte er genervt. »Nach letzter Woche ... «,
begann sie mit schwankender
Stimme, und
er unterbrach sie sofort: »Vergiss letzte
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