Das andere Kind
Woche! Ich war betrunken. Ich habe gesagt, dass es
mir leid tut. Was willst du sonst noch hören?« »Wer ist sie? Es heißt, sie ist ganz schön viel
älter als ich.« »Wer sagt das?« »Die Leute, die euch zusammen gesehen haben. Kommilitonen von
mir.« »Na und? Dann ist sie eben älter als du.« »Sie geht auf die vierzig zu!« »Und wenn? Passt
doch zu mir. Ich bin schließlich auch in den Vierzigern.« »Es gibt sie also.« Er sagte nichts.
»Du hattest immer nur ganz junge Freundinnen«, sagte Karen
verzweifelt.
Jugend. Das Einzige, was sie anzubieten hatte. »Vielleicht bin ich ja dabei, mein Leben zu
ändern«, gab er zurück.
»Aber ... «
Er knallte seine Aktentasche, die er die ganze Zeit über noch in der Hand gehalten hatte, auf
den Tisch.
»Hör auf,
Karen. Hör auf, dich zu erniedrigen. Morgen bereust du es bitter. Die Geschichte zwischen uns
ist zu Ende. Es gibt unzählige Männer, die auf ein so schönes Mädchen wie dich fliegen werden.
Vergiss mich einfach, und mach dir keine Sorgen.«
Die ersten
Tränen rollten, sie sank wieder auf den Hocker, auf dem sitzend sie auf ihn gewartet hatte.
»Ich kann dich nicht vergessen, Dave. Ich kann nicht. Und ich denke ... du kannst mich doch
auch nicht wirklich vergessen, sonst hättest du mich nicht letzte Woche ... «
»Was?
Gevögelt, meinst du? Zum Teufel, Karen, du weißt doch, wie so etwas ist!« »Deine Neue ist
absolut unattraktiv. Vielleicht schläfst du mit ihr nicht so gern wie mit mir.«
»Das ist ja
wohl meine Sache«, sagte er, zunehmend wütend, weil sie tatsächlich einen heiklen Punkt
getroffen hatte. Sex mit Gwen war schier unvorstellbar, und ihm graute schon jetzt vor dem Tag
- oder vor der Nacht -, wenn es unweigerlich dazu kommen musste. Wahrscheinlich half ihm dann
nur, dass er sich komplett mit Alkohol zudröhnte und sich Karens schönen Körper vorzustellen
versuchte.
Eine Absicht,
von der Karen besser nie etwas erfuhr.
Sie weinte
jetzt heftig. »Heute war auch Detective Inspector Almond wieder bei mir«, schluchzte sie.
»Wegen Amy Mills.«
Resigniert
zog Dave seine Jacke aus. Es würde länger dauern. Sie war jetzt bei dem Thema angelangt, bei
dem sie endgültig in Tränen zerfließen würde. Wenigstens ging es dabei nicht um ihn. Ein
kleiner Fortschritt. Wäre er nur nicht so müde, so überdrüssig, so problembeladen
gewesen.
»Was wollte
die denn schon wieder?«, fragte er ergeben. Und als Karen anstelle einer Antwort noch heftiger
schluchzte, holte er eine Flasche Schnaps aus seinem Schrank, dazu zwei halbwegs saubere
Gläser. »Hier, komm. Trink einen Schluck!«
Sie trank
selten Alkohol und hatte immer lamentiert, wenn er es tat, aber diesmal setzte sie das Glas an
und kippte den Schnaps in einem Zug hinunter. Ließ sich ein zweites reichen und leerte es auf
die gleiche Weise. Danach waren wenigstens ihre Tränen weniger geworden.
»Ach, sie hat
im Grunde alles noch einmal gefragt, was wir damals schon durchgegangen sind«, sagte sie. Genau
wie im Juli, unmittelbar nachdem der Mord an Amy Mills ganz Scarborough erschüttert hatte, sah
sie auch jetzt mitgenommen und verstört aus. »Ich bin ja die Einzige, mit der Amy ein bisschen
Kontakt hatte, deshalb wollte sie noch mal alle Gewohnheiten, Tagesabläufe und so weiter mit
mir besprechen. Aber allzu viel weiß ich ja auch nicht darüber. Ich meine ... «, sie biss sich
auf die Lippen, »ich fand Amy auch immer etwas ... komisch. So verklemmt. Sie tat mir leid.
Aber eng befreundet war ich keineswegs mit ihr.«
»Deswegen
musst du dir jetzt keine Vorwürfe machen«, sagte Dave. »Du hast mehr getan als die anderen.
Immerhin warst du ein- oder zweimal mit ihr Kaffeetrinken und hast dir ihre Probleme angehört.
Meine Güte, sie tat sich eben offenbar schwer, mit anderen in Kontakt zu treten. Das ist nicht
deine Schuld.«
»Die Polizei
hat keine Ahnung, wer es getan haben könnte. Es gibt keine Spur, nichts«, sagte Karen.
»Jedenfalls hatte ich diesen Eindruck.« Sie fügte hinzu: »Kennst du eigentlich Mrs. Gardner
gut?«
»Du meinst
... «
»Mrs.
Gardner. Die Frau, deren Kind Amy an jenem Abend hütete.«
»Linda
Gardner. Natürlich kenne ich sie. Sie unterrichtet auch Sprachen, und wir haben immer unsere
Kurse aufeinander abgestimmt. Aber darüber hinaus hatten wir nichts miteinander zu
tun.«
»Sie hat ja
an dem Abend unterrichtet, an dem Amy später ermordet wurde.«
Der Abend, an
dem er Gwen kennen
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