Das andere Kind
gelernt und nach Hause gefahren hatte. Wie gut, allzu gut er sich an jenen
Abend erinnerte! »Klar. Deswegen war Amy ja auch bei ihrem Kind.« »Detective Inspector Almond
sucht Personen, die davon wussten. Dass Amy bei Mrs. Gardner jobbte. Sie hat mich gefragt, ob
es mir bekannt war. Das habe ich bejaht.«
»Du kommst ja
wohl kaum als Täter in Frage.« »Sie wollte wissen, ob ich Leute kenne, die auch davon wussten.«
Sie sah ihn abwartend an.
Verärgert
dachte er, dass sie doch sagen sollte, worauf sie hinauswollte. Er hasste ihre Angewohnheit,
ewig um den heißen Brei herumzureden.
»Ja?
Und?«
»Ich habe ihr
nicht gesagt, dass ich glaube, dass du es wusstest.«
»Und wieso
nicht?«
Sie hatte
jetzt auch etwas Lauerndes an sich, jedenfalls meinte er das zu spüren. »Ich ... wollte dich
nicht in Schwierigkeiten bringen, Dave. Es war dein freier Abend. Und wenn du dich erinnerst,
hatten wir einen Tag später einen Riesenkrach, weil du nicht zu unserer Verabredung gekommen
bist und mir auch nicht sagen wolltest, was eigentlich los war.«
Natürlich
nicht. Hätte er ihr von der Fahrt nach Staintondale erzählen sollen? Und zwangsläufig von
allem, was sich daraus entwickelt hatte?
Er zwang
sich, ruhig zu bleiben, obwohl sie ihm entsetzlich auf die Nerven ging. »Ich hatte immer ein
Problem mit deiner Art, mich kontrollieren zu wollen. Vielleicht war das mit ein Grund, weshalb
unsere Beziehung gescheitert ist.«
»Wusstest du
es? Dass Mrs. Gardner eine junge Studentin bei sich beschäftigte?« »Kann sein, dass sie es mir
mal erzählt hat. Und? Glaubst du, ich habe Amy im Park aufgelauert und sie erschlagen?« Karen
schüttelte den Kopf. »Nein.«
Sie sah
traurig und müde aus. Sicherlich nicht in erster Linie wegen des Schicksals einer Kommilitonin,
die sie nur flüchtig gekannt hatte. Auch wohl nicht deshalb, weil sich die Polizei offenbar
schwer tat, den Fall zu lösen. Sondern weil ihre Beziehung zu Dave in die Brüche gegangen war.
Er verspürte Anflüge eines Schuldgefühls. Das ärgerte ihn. Er wollte sich nicht schuldig
fühlen.
»Also dann
... «, sagte er.
Sie griff
nach ihrer Handtasche. Es gab nichts mehr, womit sie ihren Abschied hätte hinauszögern können.
»Also dann«, sagte auch sie. Ihre Stimme klang belegt. Er verzog das Gesicht. »Es tut mir leid,
wie alles gekommen ist. Wirklich.«
Ihre Augen
begannen schon wieder zu schwimmen. »Warum nur, Dave? Ich verstehe es einfach
nicht.«
Weil ich verrückt bin, dachte er, weil ich etwas völlig Verrücktes tue. Weil ich
endlich ein anderes Leben haben möchte. Weil ich einen Weg sehe, nur diesen einen Weg, den ich gehen kann.
Er
wusste, dass sie es hasste, wenn er mit Gemeinplätzen antwortete, trotzdem tat er
es.
»Manches versteht man
eben nicht . Und muss es doch akzeptieren. «
Er hielt ihr die Tür auf. Im unteren
Flur quietschte eine Diele. Die Wirtin, die die ganze Zeit über am Fuß der Treppe gestanden
hatte, suchte eilig das Weite.
»Ich bringe dich noch hinunter«, sagte
Dave.
Sie weinte schon wieder. Er konnte
wenigstens versuchen, sie am Ende höflich zu behandeln.
Sie saßen bei einer Flasche
Mineralwasser und jeder Menge Zigarettenpäckchen. Leslie stellte wieder einmal fest, dass sie
sich an manche Widersprüchlichkeit im Wesen ihrer Großmutter nie gewöhnen würde, und am
wenigsten vielleicht an diese: Fiona qualmte wie ein Schlot, rauchte bis zu sechzig Zigaretten
am Tag und ignorierte scheinbar völlig ungerührt die Hinweise auf den Packungen, die ihr in
mittlerweile ziemlich drastischen Worten und Bildern einen mit dem Genuss der Zigaretten
verbundenen qualvollen Tod prophezeiten. Zugleich weigerte sie sich, auch nur einen einzigen
Schluck Alkohol zu trinken oder bloß eine Flasche davon im Haus zu haben.
»Total ungesund«, sagte sie immer, »das
macht einen blöd im Kopf. Ich bringe doch nicht freiwillig meine Gehirnzellen um!«
Leslie hätte sich nach der langen
Autofahrt von London in den Norden hinauf gern bei ein paar Gläsern Wein entspannt, ganz zu
schweigen davon, dass sie sich am Ende einer Woche, die am Montag mit ihrer Scheidung begonnen
hatte, am liebsten richtig betäubt hätte. Sie ärgerte sich, weil sie an diese Eigenheit von
Fiona nicht gedacht und sich von daheim ein oder zwei Flaschen mitgebracht hatte.
Die beiden Frauen
saßen im Wohnzimmer an einem kleinen Bistrotisch, der direkt am Fenster stand. Draußen
herrschte tiefe Dunkelheit,
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