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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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gelernt und nach Hause gefahren hatte. Wie gut, allzu gut er sich an jenen
    Abend erinnerte! »Klar. Deswegen war Amy ja auch bei ihrem Kind.« »Detective Inspector Almond
    sucht Personen, die davon wussten. Dass Amy bei Mrs. Gardner jobbte. Sie hat mich gefragt, ob
    es mir bekannt war. Das habe ich bejaht.«
    »Du kommst ja
    wohl kaum als Täter in Frage.« »Sie wollte wissen, ob ich Leute kenne, die auch davon wussten.«
    Sie sah ihn abwartend an.
    Verärgert
    dachte er, dass sie doch sagen sollte, worauf sie hinauswollte. Er hasste ihre Angewohnheit,
    ewig um den heißen Brei herumzureden.
    »Ja?
    Und?«
    »Ich habe ihr
    nicht gesagt, dass ich glaube, dass du es wusstest.«
    »Und wieso
    nicht?«
    Sie hatte
    jetzt auch etwas Lauerndes an sich, jedenfalls meinte er das zu spüren. »Ich ... wollte dich
    nicht in Schwierigkeiten bringen, Dave. Es war dein freier Abend. Und wenn du dich erinnerst,
    hatten wir einen Tag später einen Riesenkrach, weil du nicht zu unserer Verabredung gekommen
    bist und mir auch nicht sagen wolltest, was eigentlich los war.«
    Natürlich
    nicht. Hätte er ihr von der Fahrt nach Staintondale erzählen sollen? Und zwangsläufig von
    allem, was sich daraus entwickelt hatte?
    Er zwang
    sich, ruhig zu bleiben, obwohl sie ihm entsetzlich auf die Nerven ging. »Ich hatte immer ein
    Problem mit deiner Art, mich kontrollieren zu wollen. Vielleicht war das mit ein Grund, weshalb
    unsere Beziehung gescheitert ist.«
    »Wusstest du
    es? Dass Mrs. Gardner eine junge Studentin bei sich beschäftigte?« »Kann sein, dass sie es mir
    mal erzählt hat. Und? Glaubst du, ich habe Amy im Park aufgelauert und sie erschlagen?« Karen
    schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Sie sah
    traurig und müde aus. Sicherlich nicht in erster Linie wegen des Schicksals einer Kommilitonin,
    die sie nur flüchtig gekannt hatte. Auch wohl nicht deshalb, weil sich die Polizei offenbar
    schwer tat, den Fall zu lösen. Sondern weil ihre Beziehung zu Dave in die Brüche gegangen war.
    Er verspürte Anflüge eines Schuldgefühls. Das ärgerte ihn. Er wollte sich nicht schuldig
    fühlen.
    »Also dann
    ... «, sagte er.
    Sie griff
    nach ihrer Handtasche. Es gab nichts mehr, womit sie ihren Abschied hätte hinauszögern können.
    »Also dann«, sagte auch sie. Ihre Stimme klang belegt. Er verzog das Gesicht. »Es tut mir leid,
    wie alles gekommen ist. Wirklich.«
    Ihre Augen
    begannen schon wieder zu schwimmen. »Warum nur, Dave? Ich verstehe es einfach
    nicht.«
    Weil ich verrückt bin, dachte er, weil ich etwas völlig Verrücktes tue. Weil ich
    endlich ein anderes Leben haben möchte. Weil ich einen Weg sehe, nur diesen einen Weg, den ich gehen kann.
    Er
    wusste, dass sie es hasste, wenn er mit Gemeinplätzen antwortete, trotzdem tat er
    es.
    »Manches versteht man
    eben nicht . Und muss es doch akzeptieren. «
    Er hielt ihr die Tür auf. Im unteren
    Flur quietschte eine Diele. Die Wirtin, die die ganze Zeit über am Fuß der Treppe gestanden
    hatte, suchte eilig das Weite.
    »Ich bringe dich noch hinunter«, sagte
    Dave.
    Sie weinte schon wieder. Er konnte
    wenigstens versuchen, sie am Ende höflich zu behandeln.
    Sie saßen bei einer Flasche
    Mineralwasser und jeder Menge Zigarettenpäckchen. Leslie stellte wieder einmal fest, dass sie
    sich an manche Widersprüchlichkeit im Wesen ihrer Großmutter nie gewöhnen würde, und am
    wenigsten vielleicht an diese: Fiona qualmte wie ein Schlot, rauchte bis zu sechzig Zigaretten
    am Tag und ignorierte scheinbar völlig ungerührt die Hinweise auf den Packungen, die ihr in
    mittlerweile ziemlich drastischen Worten und Bildern einen mit dem Genuss der Zigaretten
    verbundenen qualvollen Tod prophezeiten. Zugleich weigerte sie sich, auch nur einen einzigen
    Schluck Alkohol zu trinken oder bloß eine Flasche davon im Haus zu haben.
    »Total ungesund«, sagte sie immer, »das
    macht einen blöd im Kopf. Ich bringe doch nicht freiwillig meine Gehirnzellen um!«
    Leslie hätte sich nach der langen
    Autofahrt von London in den Norden hinauf gern bei ein paar Gläsern Wein entspannt, ganz zu
    schweigen davon, dass sie sich am Ende einer Woche, die am Montag mit ihrer Scheidung begonnen
    hatte, am liebsten richtig betäubt hätte. Sie ärgerte sich, weil sie an diese Eigenheit von
    Fiona nicht gedacht und sich von daheim ein oder zwei Flaschen mitgebracht hatte.
    Die beiden Frauen
    saßen im Wohnzimmer an einem kleinen Bistrotisch, der direkt am Fenster stand. Draußen
    herrschte tiefe Dunkelheit,

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