Das andere Kind
alldem. Sie hatte Skrupel, anderen Menschen zugänglich zu machen, was sie dort
las.«
»Ihre Großmutter wurde ermordet, um Gottes willen. Alles, absolut alles, was mit dieser alten Frau in
irgendeinem Zusammenhang stand, hätte in meine Hände gehört!«, rief Valerie. »Ich kann es nicht
glauben! Möglicherweise ... «
»Ja?«, fragte Stephen.
»Auch Chad Beckett kann in Gefahr sein. Immerhin scheint es um eine gemeinsame Verstrickung zu
gehen, wenn ich das richtig verstanden habe.« Sie zog ihren Autoschlüssel aus der Tasche. »Ich
fahre sofort zur Beckett-Farm.« »Bitte«, fragte Stephen, »kann ich mit?« Und als sie zögerte,
fügte er hinzu: »Ich fahre sonst mit meinem eigenen Auto, Inspector. Sie werden mich so oder so
nicht los.« Valerie gab nach. »Okay. Steigen Sie bei mir ein.« Sie rannte bereits zu ihrem
Auto.
Stephen folgte ihr. Er sah, dass Valerie noch im Einsteigen telefonierte. Sie forderte
Verstärkung an.
Sofort sahen sie Leslies Auto, das mitten auf dem Hof parkte. Daneben stand ein weiteres
Fahrzeug, das Valerie als den Wagen der Brankleys erkannte. Im Haus brannte Licht. Die Haustür
stand offen.
Stephen sprang vom Beifahrersitz, kaum dass Valerie angehalten hatte, und wollte losstürzen, aber die Beamtin hielt ihn zurück. »Nein. Sie
bleiben erst einmal hier. Wer weiß, was da los ist. Ich gehe jetzt zum Haus.« Er fügte sich,
aber als er sah, dass sie die Haustür erreicht hatte, folgte er ihr. Valerie trat in den hell
erleuchteten Flur. »Mr. Beckett? Miss Beckett? Detective Inspector Almond hier. Wo sind Sie?«
Sie vernahm eine Männerstimme. »Im Wohnzimmer! Schnell!«
Sie lief den Gang entlang. In der Wohnzimmertür stehend, bot sich ihr das Bild des reglos auf
dem Fußboden liegenden Chad Beckett. Neben ihm kniete Colin Brankley, strich ihm wieder und
wieder die dünnen grauen Haare aus der Stirn und rief seinen Namen.
»Chad! Wachen Sie auf, Chad! Was ist passiert?« »Mr. Brankley«, sagte Valerie.
Er wandte sich um. »Wir haben ihn so gefunden, Inspector. Er lag hier. Ich glaube, auf ihn ist
geschossen worden.«
»Wo waren Sie in den letzten Stunden?«, fragte Valerie und kniete ebenfalls neben Chad nieder.
Die wächserne Blässe seines Gesichtes, seine völlige Bewegungslosigkeit verhießen nichts
Gutes.
»Wir waren in Leeds. Jennifer wollte heute am späten Nachmittag plötzlich nach Hause. Aber ...
« Er kam nicht weiter. Stephen tauchte auf, schob ihn beiseite. „Lassen
Sie mich zu ihm. Ich bin Arzt.«
Er fühlte nach dem Puls.
„Sie hatten keine Erlaubnis, einfach abzureisen«, sagte Valerie scharf.
Stephen hob den Kop£ »Er ist tot«, sagte er. »Verblutet. An einer S chusswunde, wie es aussieht.« »O Gott«, sagte
Colin erschüttert.
»Hier darf jetzt nichts mehr berührt werden«, mahnte Valerie. Stephen stand auf Valerie
bemerkte, dass er wirklich verzweifelt aussah. »Wo ist Leslie?«, herrschte er Colin an. »Sie
ist nicht hier. Wir habe~ nur Chad gefunden, sonst ist niemand im Haus«, erwiderte Colin. Dann
runzelte er die Stirn. »Wer sind Sie?«
»Stephen Cramer. Leslies geschiedener Mann. Leslies Auto steht da draußen. Sie muss hier
irgendwo sein.« »Wo ist Ihre Frau, Mr. Brankley?«, fragte Valerie. Colin sah sich verwirrt um.
»Eben war sie noch hier.
Vielleicht sieht sie sich noch einmal im Haus um.« »Sie bleiben beide hier«, befahl Valerie den
Männern. Sie zog ihre Waffe, entsicherte sie. »Ich gehe jetzt nach oben.« »Es ist niemand im
Haus«, sagte Colin, »wir waren in jedem Zimmer.«
»Ich überzeuge mich lieber selbst«, entgegnete Valerie. Nachdem sie verschwunden war, sahen
sich Colin und Stephen über den toten Chad hinweg an.
»Was geht hier vor?«, fragte Stephen leise. »Fiona wurde ermordet. Nun Chad. Herrgott noch mal,
wer ist der Geisteskranke, der hier sein Unwesen treibt?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Colin.
»Es geht um diese Geschichte, nicht wahr? Diese Lebensgeschichte von Fiona und Chad. Die beiden
haben irgendein verdammt blödes Ding gedreht, und offenbar hat das jemanden so sehr gegen sie
aufgebracht, dass er sie nun beide erledigt hat.«
»Kennen Sie die Geschichte?«, fragte Colin.
Stephen schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass die beiden irgendeinen Schlamassel angerichtet
haben müssen, der es in sich hat. So viel hat mir Leslie erzählt.«
Colin erwiderte nichts.
Valerie kehrte ins Wohnzimmer zurück. »Niemand da.« »Aber Jennifer muss irgendwo
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