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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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gesicherten und
    geregelten Auskommen angeht. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass er ziemlich verzweifelt
    ist. Auch wenn er sich sehr lässig gibt.«
    »Weißt du, was du da
    sagst, Fiona?«
    »Ja. Und eigentlich
    müsste man es auch Gwen sagen.« Leslie biss sich auf die Lippen. »Das geht nicht, Fiona. Es
    würde sie ... es ist unmöglich!«
    »Aber ist dir klar, welches Leben sie erwartet?«, rief Fiona. »Der Kerl nistet sich auf
    der Farm ein und wartet in Seelenruhe ab, bis Chad das Zeitliche segnet, was ja keine Ewigkeit
    mehr dauern kann. Ich will nicht abstreiten, dass er dann mit einer Menge guter Ideen
    herausrückt, wie man die Farm zu einem wirklich a ttraktiven Angebot
    für Ferien gäste ausbauen kann, und vermutlich bringt er auch die
    Tatkraft auf, seine Pläne umzusetzen und tatsächlich etwas aus dem Besitz zu machen. Wie Chad
    und Gwen bislang ihr Bed & Breakfast betreiben, ist jedenfalls erbärmlich, und sicher peppt
    er das alles nicht mal ungeschickt auf. Aber bei einer Ehe geht es um mehr, oder? Ich würde
    darauf wetten, dass er Gwen nach Strich und Faden betrügen wird. Er hält sich unter den
    Studentinnen vom Scarborough-Campus schadlos, und irgendwann findet Gwen das heraus, und der
    Himmel stürzt über ihr ein! Sollen wir es so weit kommen lassen?«
    »Sie hat entschieden, es unter Umständen so weit kommen zu
    lassen.«
    »Weil sie
    glaubt, keine andere Wahl zu haben. Seit Jahren wartet sie auf den Prinzen, der auf seinem
    weißen Pferd herangaloppiert kommt und sie auf sein Schloss holt. Nun ist er endlich gekommen,
    wenngleich nicht auf einem weißen Pferd, sondern in der so ziemlich abgewracktesten Rostlaube
    von Auto, die ich je gesehen habe. Aber egal. Er ist der Einzige auf weiter Flur. Das macht ihn
    wertvoll für Gwen. So wertvoll, dass sie alle warnenden Instinkte - und ich bin überzeugt, dass
    die sich durchaus bei ihr regen schon im Keim erstickt.«
    »Am
    Telefon klang sie verändert. Freier. Fröhlicher. Ich habe mich wirklich für sie
    gefreut.«
    »Ohne
    Frage lässt die Geschichte sie aufblühen. Verflixt, Leslie« - Fiona drückte mit einer
    aggressiven Bewegung ihre Zigarette aus -, »glaubst du, ich würde mich darum reißen, Gwen die
    Wahrheit zu sagen? Natürlich nicht! Niemand wird sich darum reißen. Es ist eine schwierige
    Situation.«
    »Vielleicht
    ist es auch nicht unsere Aufgabe, das zu tun, Fiona. Wir sind nicht einmal mit Gwen verwandt.«
    »Trotzdem sind wir letztlich die Einzigen, die sie hat. Ihr Vater ist nicht glücklich mit
    Tanner, aber er wird sich nicht einmischen. Er war immer schwach gegenüber Gwen. Nie im Leben
    würde er es fertig bringen, ihr ausgerechnet jetzt einen Riegel vorzuschieben. Aber ich ... in
    mir hat sie immer eine Art Mutterersatz gesehen. Auf mich hat sie sich immer verlassen. Ich
    wünschte ... « Sie brach abrupt ab, führte nicht aus, was sie wünschte, vielleicht weil sie die
    Vergeblichkeit ihres Wunsches zu deutlich vor sich sah. Stattdessen schaute sie ihre Enkelin
    eindringlich an. »Und wie geht es dir? Wie fühlt man sich - frisch geschieden?«
    Leslie
    zuckte mit den Schultern. »An das Alleinleben habe ich mich ja schon gewöhnt. Die Scheidung war
    nur noch ein formaler Akt.«
    »Sehr
    glücklich siehst du nicht aus!«
    »Was
    erwartest du? Ich wollte mit Stephen für den Rest meines Lebens zusammen sein. Wir wollten
    Kinder haben ... Ich hatte nicht vor, mit neununddreißig Jahren allein in eine kleine Wohnung
    zu ziehen, perfekt zugeschnitten auf berufstätige Singles, und noch mal ganz von vorn
    anzufangen.«
    »Ich habe
    ja auch nie verstanden, weshalb du dich getrennt hast! Ihr habt so gut zusammengepasst. Mein
    Gott, weil er einmal ein bisschen zu viel trinkt und mit irgendeinem jungen Ding, dessen Namen
    er am nächsten Tag schon kaum mehr kennt, ins Bett springt ... Dafür musstest du wirklich alles
    hinwerfen?«
    »Das Vertrauen war kaputt. Ich habe selbst vorher nicht geglaubt, dass das so schlimm ist. Aber
    zerstörtes Vertrauen durchzieht den ganzen Alltag. Es hatte sich alles verändert. Ich konnte es
    ... ich konnte ihn nicht mehr
    ertragen.«
    »Jeder
    muss diese Dinge selbst entscheiden«, sagte Fiona. »Eben«, bestätigte Leslie. »Auch Gwen.
    Fiona, es ist ihr Leben. Sie ist erwachsen. Dave Tanner ist der Mann, für den sie sich
    entschieden hat. Wir alle müssen das respektieren.«
    Fiona
    murmelte etwas vor sich hin. Leslie neigte sich vor. »Jetzt zu dir, Fiona. Du siehst nicht

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