Das andere Kind
gesicherten und
geregelten Auskommen angeht. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass er ziemlich verzweifelt
ist. Auch wenn er sich sehr lässig gibt.«
»Weißt du, was du da
sagst, Fiona?«
»Ja. Und eigentlich
müsste man es auch Gwen sagen.« Leslie biss sich auf die Lippen. »Das geht nicht, Fiona. Es
würde sie ... es ist unmöglich!«
»Aber ist dir klar, welches Leben sie erwartet?«, rief Fiona. »Der Kerl nistet sich auf
der Farm ein und wartet in Seelenruhe ab, bis Chad das Zeitliche segnet, was ja keine Ewigkeit
mehr dauern kann. Ich will nicht abstreiten, dass er dann mit einer Menge guter Ideen
herausrückt, wie man die Farm zu einem wirklich a ttraktiven Angebot
für Ferien gäste ausbauen kann, und vermutlich bringt er auch die
Tatkraft auf, seine Pläne umzusetzen und tatsächlich etwas aus dem Besitz zu machen. Wie Chad
und Gwen bislang ihr Bed & Breakfast betreiben, ist jedenfalls erbärmlich, und sicher peppt
er das alles nicht mal ungeschickt auf. Aber bei einer Ehe geht es um mehr, oder? Ich würde
darauf wetten, dass er Gwen nach Strich und Faden betrügen wird. Er hält sich unter den
Studentinnen vom Scarborough-Campus schadlos, und irgendwann findet Gwen das heraus, und der
Himmel stürzt über ihr ein! Sollen wir es so weit kommen lassen?«
»Sie hat entschieden, es unter Umständen so weit kommen zu
lassen.«
»Weil sie
glaubt, keine andere Wahl zu haben. Seit Jahren wartet sie auf den Prinzen, der auf seinem
weißen Pferd herangaloppiert kommt und sie auf sein Schloss holt. Nun ist er endlich gekommen,
wenngleich nicht auf einem weißen Pferd, sondern in der so ziemlich abgewracktesten Rostlaube
von Auto, die ich je gesehen habe. Aber egal. Er ist der Einzige auf weiter Flur. Das macht ihn
wertvoll für Gwen. So wertvoll, dass sie alle warnenden Instinkte - und ich bin überzeugt, dass
die sich durchaus bei ihr regen schon im Keim erstickt.«
»Am
Telefon klang sie verändert. Freier. Fröhlicher. Ich habe mich wirklich für sie
gefreut.«
»Ohne
Frage lässt die Geschichte sie aufblühen. Verflixt, Leslie« - Fiona drückte mit einer
aggressiven Bewegung ihre Zigarette aus -, »glaubst du, ich würde mich darum reißen, Gwen die
Wahrheit zu sagen? Natürlich nicht! Niemand wird sich darum reißen. Es ist eine schwierige
Situation.«
»Vielleicht
ist es auch nicht unsere Aufgabe, das zu tun, Fiona. Wir sind nicht einmal mit Gwen verwandt.«
»Trotzdem sind wir letztlich die Einzigen, die sie hat. Ihr Vater ist nicht glücklich mit
Tanner, aber er wird sich nicht einmischen. Er war immer schwach gegenüber Gwen. Nie im Leben
würde er es fertig bringen, ihr ausgerechnet jetzt einen Riegel vorzuschieben. Aber ich ... in
mir hat sie immer eine Art Mutterersatz gesehen. Auf mich hat sie sich immer verlassen. Ich
wünschte ... « Sie brach abrupt ab, führte nicht aus, was sie wünschte, vielleicht weil sie die
Vergeblichkeit ihres Wunsches zu deutlich vor sich sah. Stattdessen schaute sie ihre Enkelin
eindringlich an. »Und wie geht es dir? Wie fühlt man sich - frisch geschieden?«
Leslie
zuckte mit den Schultern. »An das Alleinleben habe ich mich ja schon gewöhnt. Die Scheidung war
nur noch ein formaler Akt.«
»Sehr
glücklich siehst du nicht aus!«
»Was
erwartest du? Ich wollte mit Stephen für den Rest meines Lebens zusammen sein. Wir wollten
Kinder haben ... Ich hatte nicht vor, mit neununddreißig Jahren allein in eine kleine Wohnung
zu ziehen, perfekt zugeschnitten auf berufstätige Singles, und noch mal ganz von vorn
anzufangen.«
»Ich habe
ja auch nie verstanden, weshalb du dich getrennt hast! Ihr habt so gut zusammengepasst. Mein
Gott, weil er einmal ein bisschen zu viel trinkt und mit irgendeinem jungen Ding, dessen Namen
er am nächsten Tag schon kaum mehr kennt, ins Bett springt ... Dafür musstest du wirklich alles
hinwerfen?«
»Das Vertrauen war kaputt. Ich habe selbst vorher nicht geglaubt, dass das so schlimm ist. Aber
zerstörtes Vertrauen durchzieht den ganzen Alltag. Es hatte sich alles verändert. Ich konnte es
... ich konnte ihn nicht mehr
ertragen.«
»Jeder
muss diese Dinge selbst entscheiden«, sagte Fiona. »Eben«, bestätigte Leslie. »Auch Gwen.
Fiona, es ist ihr Leben. Sie ist erwachsen. Dave Tanner ist der Mann, für den sie sich
entschieden hat. Wir alle müssen das respektieren.«
Fiona
murmelte etwas vor sich hin. Leslie neigte sich vor. »Jetzt zu dir, Fiona. Du siehst nicht
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