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Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
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irgendein
    Gedanke, eine Erinnerung, sehr blass ... Sie hatte nach dem Mord an Amy Mills mit etlichen
    Kollegen über die Tragödie gesprochen, hatte sich geoutet als die Person, bei der Amy gejobbt
    hatte und die so leichtfertig mit der Zeit des jungen Mädchens u mgegangen war. Aber vorher
    ... Sie meinte, in irgendeinem Zusammenhang es vorher schon einmal erwähnt zu haben. In der Schule.
    Plötzlich fiel es ihr ein. Ein gutaussehender Typ, der ebenfalls Französisch unterrichtete. Mit
    dem sie sich zu Beginn eines jeden Kurses abgesprochen hatte. Bei der ersten Befragung damals
    war er ihr gar nicht in den Sinn gekommen.
    »Dave«, sagte sie, »Dave Tanner hat es,
    glaube ich, gewusst.«
    Valerie neigte sich vor. »Wer ist Dave
    Tanner?«, fragte sie.
    Vom ersten Moment an war der Abend auf die
    Katastrophe zugesteuert, in der er schließlich endete. Darüber waren sich später alle einig,
    und jeder bestätigte, dass es eine Atmosphäre gewesen war, als sitze man auf einem
    Pulverfass.
    Wie üblich war es Fiona gewesen, die ihre
    Zunge nicht hatte im Zaum halten können. Sie hatte Gwen mit hochgezogenen Augenbrauen
    gemustert. Gwen trug ein ungewöhnlich hübsches Kleid aus pfirsichfarbenem Samt, das in der
    Mitte von einem schwarzen Lackgürtel gerafft wurde und damit offenbarte, was niemand der
    Anwesenden bislang gewusst hatte: Gwen hatte eine ausgesprochen schlanke Taille und eine viel
    zartere Figur, als man das unter ihren sonstigen sackähnlichen Gewändern hatte ahnen
    können.
    »Hübsches Kleid«, sagte Fiona schließlich.
    »Ist es neu? Es steht dir!«
    Gwen lächelte, glücklich über das
    Kompliment. »Dave hat es für mich ausgesucht. Er meinte, ich könnte ruhig meine Figur etwas
    mehr betonen.« »Da hat er recht«, bestätigte Fiona sanft, um gleich darauf die Krallen
    auszufahren: »Hat er es auch bezahlt?« Gwen erstarrte.
    »Also bitte, Fiona, das geht dich doch
    nichts an«, murmelte Leslie, peinlich berührt.
    Dave Tanner presste die Lippen
    zusammen.
    »Nein«, antwortete Gwen, »aber das wollte
    ich auch gar nicht.«
    »Ein Mann könnte seiner zukünftigen Ehefrau
    ruhig einmal etwas Besonderes schenken«, sagte Fiona, »aber das ist natürlich nur meine
    Meinung.«
    Unbehagliches Schweigen folgte ihren
    Worten. Jennifer Brankley rettete schließlich die Situation. Sie hatte Gwen beim Kochen und
    Tischdecken geholfen und sich damit den Status einer Mit-Gastgeberin erworben.
    »Wir können essen«, sagte sie mit bemüht
    fröhlicher Stimme. »Wenn bitte alle ins Wohnzimmer kommen mögen.«
    Das Wohnzimmer diente zugleich als
    Esszimmer. Sie hatten um den großen Tisch gesessen und gequält Konversation gemacht. Colin
    Brankley, der sich kaum an den mühsamen Gesprächen beteiligte, beobachtete die Anwesenden und
    dachte: Jeder wünscht sich im Grunde weit weg. Am allermeisten Dave Tanner. Colin Brankley
    arbeitete als Filialleiter einer Bank in Leeds, und er wusste, dass die Leute ihm wenig
    Fantasie und Menschenkenntnis zutrauten und in ihm einen farblosen, eher langweiligen
    Bürohengst sahen, der für seine Bilanzen und Akten lebte. Tatsächlich aber waren Bücher seine
    Leidenschaft, er las in jeder freien Minute und tauchte mehr als die meisten anderen in eigene
    Traumwelten ab. Er grübelte viel über die Charaktere nach, mit denen er sich in Romanen
    konfrontiert sah, und verstand mehr von dem, was in Menschen vorging, als es irgendjemand
    hinter seinem runden Gesicht mit den schütteren Haaren darüber und den dicken Brillengläsern
    vor den Augen vermutet hätte.
    Während er, ohne wirklich zu realisieren,
    was er aß, seinen Lammbraten mit Pfefferminzsoße verzehrte, machte er sich in Gedanken seine
    Anmerkungen zu den übrigen Anwesenden.
    Chad Beckett, Gwens Vater. In sich gekehrt
    wie immer, insofern ließ sich nicht wirklich erkennen, wie er zu der Verlobung seiner Tochter
    mit diesem wie aus dem Nichts aufgetauchten, etwas undurchsichtigen Dave Tanner stand.
    Vielleicht machte er sich Sorgen, aber er war nicht der Mensch, der diesen Ausdruck verliehen
    hätte, kaum unter vier Augen und schon überhaupt nicht in größerer Runde. Und nie hätte er
    versucht, seiner Tochter einen Strich durch die Rechnung zu machen - nicht einmal dann, wenn es
    zu ihrem Besten gewesen wäre.
    Fiona Barnes.
    Streitlustig wie immer, und wie üblich fühlte sie sich für die Familie Beckett verantwortlich,
    für die Tochter wie für den Vater. Sie saß neben Chad und hatte ihm zu Beginn des

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