Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das andere Kind

Titel: Das andere Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das andere Kind
Vom Netzwerk:
es. Dieser angestrebten Heirat lagen andere Motive
    zugrunde, dennoch war Tanner zweifellos entschlossen, das Beste daraus zu machen. Kein übler
    Typ, urteilte Colin in Gedanken.
    Fiona Barnes sah das mit
    Sicherheit anders.
    Colins
    Blick glitt zu Jennifer, seiner Frau. Sie saß am äußersten Tischende, so dass sie ihre beiden
    Hunde im Blick hatte, die auf ihren Decken gleich neben der Zimmertür lagen und schliefen. Cal
    schnarchte leise, während Wotan im Traum wild mit den Hinterläufen zuckte. Gelegentlich
    schrammten seine Krallen über den Steinfußboden. Jennifer wirkte ... zufrieden. Ein Umstand,
    den Colin als bemerkenswert registrierte, denn es war selten so, dass er sie als wirklich
    zufrieden hätte bezeichnen können. Sie litt unter einem ausgeprägten Helfersyndrom, kämpfte
    gegen ihre Depressionen, war beruflich völlig aus dem Tritt geraten und kam über das, was sie
    beharrlich ihr Scheitern nannte, nicht
    hinweg. Daneben aber war sie ein gutherziger, anteilnehmender Mensch, der Eigenschaften wie
    Neid oder Gehässigkeit überhaupt nicht zu kennen schien.
    Vom ersten Tag auf der
    Farm an hatte sie sich für Gwens Wohlergehen verantwortlich gefühlt. Sie war nicht frei von
    Misstrauen, was Dave Tanner anging, schien aber entschlossen, sich über jede Anwandlung von
    Furcht hinwegzusetzen. Jennifer war augenscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass man Gwen in
    dieser Phase nicht verletzen oder entmutigen durfte, ganz gleich, was später aus alldem werden
    würde. Vermutlich wünschte sie Fiona Barnes insgeheim zum Teufel.
    Nachdem Jennifer den
    Nachtisch serviert hatte - Zitroneneis mit selbstgebackenen Ingwerplätzchen -, wandte sich
    Fiona unvermittelt an Dave Tanner, und die Art, wie sie auf ihn losschoss, vermittelte den
    Eindruck, dass sie den ganzen Abend über auf diesen Moment gewartet hatte.
    »Gehen Sie eigentlich
    auch noch irgendeiner richtigen Tätigkeit nach?«, fragte sie. »Ich meine, außer diesen paar
    Abenden in der Woche, an denen Sie Hausfrauen aus Scarborough Französisch und Spanisch
    beizubringen versuchen?«
    Gwen wurde erst blass,
    dann rot. Hilfesuchend schaute sie zu Jennifer hin, die in ihrer Bewegung - sie wollte gerade
    einen Löffel mit Eis zum Mund führen - abrupt innehielt. Colin sah, wie Leslie Cramer kurz die
    Augen schloss.
    Manchmal ist ihr ihre
    Großmutter richtig peinlich, dachte er fast belustigt.
    »Im Augenblick«, sagte
    Dave, »stellen die Kurse meine einzige Tätigkeit dar.«
    Fiona gab sich
    verwundert, obwohl sie die Antwort natürlich zuvor gekannt hatte.
    »Und das füllt einen Mann
    in den besten Jahren aus? Sie sind dreiundvierzig, nicht? Sie wollen heiraten, Sie wol- len
    eine Familie gründen. Vielleicht werden Sie und Gwen Kinder haben. Was werden Sie diesen
    Kindern über Ihren Beruf sagen? Dass Sie Sprachkurse abhalten, und das gerade einmal an ... wie
    vielen Abenden in der Woche?«
    »An drei Abenden nur zur
    Zeit«, sagte Dave. Er blieb höflich, wirkte aber angespannt. »Ich würde gern öfter
    unterrichten«, fuhr er fort, »aber leider reicht die Nachfrage nicht, um weitere Kurse auf die
    Beine zu stellen. Zumal wir dort eine zweite Lehrerin haben, Linda Gardner, die ebenfalls
    Französisch ... «
    Gwen sah den Moment
    gekommen, einen Themenwechsel zu versuchen.
    »Linda Gardner hat einen
    gewissen Prominentenstatus in Scarborough erlangt«, unterbrach sie ihren Verlobten hastig,
    »einen traurigen, leider. Sie war die Frau, deren kleine Tochter Amy Mills an dem Abend hütete,
    an dem sie später ermordet wurde.«
    Leslie sprang ihrer
    Freundin sofort bei. »Ihr hattet einen Mordfall hier in Scarborough?«
    Ehe Gwen etwas darauf
    erwidern konnte, mischte sich Fiona erneut ein. »Im Augenblick«, sagte sie, mit unüberhörbarer
    Schärfe in der Stimme, »interessiere ich mich weit mehr für Mr. Tanner als für die
    bedauernswerte Amy Mills. Chad« - sie wandte sich an den alten Mann, der so misstrauisch sein
    Zitroneneis anstarrte, als wittere er darin irgendeine Bedrohung -, »Chad, ich stelle hier
    Fragen, die eigentlich du stellen solltest. Hast du dich je ausführlich mit deinem künftigen
    Schwiegersohn unterhalten?«
    Chad blickte auf »Worüber
    denn?«
    »Nun, über seine
    Absichten beispielsweise. Immerhin will er deine Tochter heiraten, dein einziges
    Kind.«
    »Das werde ich kaum
    verhindern können«, sagte Chad
    müde.
    »Und warum sollte ich das auch wollen? Gwen ist erwachsen. Sie muss das selbst wissen.« »Er

Weitere Kostenlose Bücher