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Das andere Ufer der Nacht

Das andere Ufer der Nacht

Titel: Das andere Ufer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Felsen aufeinander zu. Dann verengte sich der Flusslauf, die Strömung nahm an Geschwindigkeit zu und mit hellen Schaumwirbeln gischtete sie über aus dem Wasser ragende Felsstücke.
    Zum Glück gab es an der Flussseite, an der die drei gingen, immer einen schmalen Pfad, was man vom anderen Ufer nicht behaupten konnte. Da fiel die Wand oft genug senkrecht zum schäumenden Wasser hinab. Natürlich hatten es die beiden Männer eilig. Aber sie mussten auch Rücksicht auf die schon ältere Frau nehmen, die verständlicherweise nicht so schnell laufen konnte.
    Suko und Bill hielten die Fackeln hoch, um ein möglichst großes Umfeld erhellen zu können. Manchmal strich der Schein über Wände und schickte auch einen Hauch gegen die Decke, dann wieder, wenn der Stollen enger wurde, konnten sich auch die Decke nicht mehr erkennen. Eine regelrechte Gebirgslandschaft breitete sich vor ihnen aus, durch die der Fluss schoss und sie bei jedem Schritt begleitete. Zwischendurch blieben sie auch stehen und erkundigten sich bei der Senora, wie weit es noch war. Sie hob jedesmal die Schultern und gab orakelhafte Antworten.
    »Was ist schon Zeit in einer Welt wie dieser? Der Totenfluss schäumte durch sein Bett, bis er das Jenseits erreicht hat. Wir werden sehen es sehen, das verspreche ich euch.«
    Bill war da skeptischer. Er traute dieser Person nicht so recht. Aber was hatte sie noch zu verlieren? Eigentlich nichts mehr. Sie konnte nur dafür Sorge tragen, dass ihre Tochter und John Sinclair lebend aus dieser Gefahr herausgeholt wurden.
    Beiden Männern war aufgefallen, dass die Strömung sich abgeschwächt hatte. Zwar schäumten noch immer helle Streifen auf der Oberfläche, aber das Wasser floss längst nicht mehr so schnell dahin, es gab weniger Strudel und Kreisel, und an Breite hatte der Fluss zugenommen. Manchmal konnten sie die Finsternis des gegenüberliegenden Ufers nicht mehr erkennen.
    Sie brauchten auch nicht mehr über große Steine zu klettern und waren der alten Dame nicht mehr beim Gehen behilflich.
    Plötzlich blieb die Senora stehen. Zuerst blickte sie die Männer an, dann strich sie über ihr feuchtes Gesicht und behielt beide Hände so gegen ihre Wangen gepresst, dass nur die dunklen Augen zu sehen waren, in deren Pupillen sich der Fackelschein widerspiegelte.
    »Es ist nicht mehr weit«, sagte sie.
    »Müssen wir rüber?« fragte Bill.
    Sie hob die Schultern. »Noch nicht, aber ich fühle es.« Sie deutete schräg über den Fluss. »Meine Angst bedrängt mich hart. Sie steckt einfach in mir. Sie hält mich gefangen.«
    »Keine Sorge, wir helfen Ihnen.«
    Da begann sie zu lachen. »Helfen«, wiederholte sie. »Es ist Unsinn, mir kann niemand helfen. Es geht nicht, ich…«
    »Gehen Sie weiter.«
    Sie blieb stehen. »Wollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen? Jetzt haben wir Zeit…« Suko sprach sie an. »Haben Sie tatsächlich vor, ihre Tochter zu opfern, Senora Marquez?«
    »Nein!«
    »Dann gehen Sie weiter.«
    »Aber gegen das Jenseits kommen wir nicht an. Seine Kräfte sind viel zu stark. In ihm vereinigt sich alles, von dem wir nur träumen können. Es kann für uns Menschen Fluch und Segen sein. Für meine Familie ist es ein Fluch, glauben Sie mir.«
    Suko versuchte es mit einem Sprichwort. »Nur wer die Angst überwindet, kann siegen«, erklärte er.
    »Das sagen Sie so…«
    »Bitte, Senora tun Sie sich und uns den Gefallen und gehen Sie.« Auch Bill drängte jetzt.
    Die Frau nickte, weil ihr nichts anderes übrig blieb. Noch langsamer als zuvor schritt sie weiter, den Kopf hielt sie dabei gesenkt, ihre Blicke waren auf die Füße gerichtet, als könnte sie dort etwas ungemein Interessantes sehen.
    Suko leuchtete über den Fluss. Er wollte sehen, wie die Strömung verlief, denn sie mussten schließlich auf die andere Seite, und das würde nicht einfach sein. Sie war nicht so stark, wie er befürchtet hatte. Jedenfalls glaubte er nicht daran, dass sie ihnen die Beine wegreißen würde, wenn sie sich einmal im Wasser befanden.
    An einer Krümmung stoppte die Frau ihre Schritte. Hinter ihnen befand sich die gewaltige Wand, vor ihren Füßen gurgelte das Wasser, und gegenüber sahen sie die Finsternis wie eine gewaltige Wand liegen, die alles verschlingen wollte.
    »Da ist es!«
    Drei Worte sprach die Frau, aber sie erfassten die Lage genau. Und den Beweis konnten die Ankömmlinge auch erkennen, denn am anderen Ufer lag die Knochenbarke. Sie hatte sich mit ihrem Bug auf den schmalen Uferstreifen

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