Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Verbleib herauszubekommen. So blieb ihr nur zu warten. Worauf? Dass sie ihre Kräfte zurückgewann und das Bett verlassen konnte? Dass der Bischof mit seinem Gefolge in Karlstadt eintraf?
Kapitel 27
A m nächsten Tag waren Elisabeths Kopfschmerzen und die Übelkeit so weit abgeklungen, dass sie darauf bestand, das Bett zu verlassen. Eine ihr fremde Magd kam mit einigen Kleidern, die ihr leidlich passten. Ob sie der Tochter des neuen Amtmanns gehörten, in deren Bett sie geschlafen hatte?
Friedlein besuchte sie nach dem Frühmahl und bestand darauf, dass sie in der Kammer blieb.
»Warum sollte ich mich an Eure Anweisungen halten?« Sie reckte trotzig das Kinn.
»Weil es in einer Stadt, die ein Heer beherbergt und gerade von einem anderen belagert wurde, nicht sicher für ein Fräulein ist, das nicht so recht weiß, auf welcher Seite es steht.«
»Ich weiß genau …«
Der Narr unterbrach sie und hob übertrieben die Augenbrauen. »Ihr wisst genau, wem Eure Loyalität gilt, wem Eure Liebe und Eure Pflicht? Kann es gar sein, dass es für diese Fragen ganz unterschiedliche Antworten gibt? Ihr habt Zeit, darüber nachzudenken. Ich vermute, es wird noch eine Weile dauern, bis Euer Vater Euch aufsucht.«
»Der Bischof ist in der Stadt?«
Friedlein nickte. »Ja, er ist mit seinem Gefolge vor kaum einer Stunde angekommen und lässt sich nun die Gefangenen vorführen.«
»Was passiert mit den Männern?«
Der Narr zuckte mit den Achseln. »Hier kann er sie nicht lassen. Die Verliese der Stadttürme sind viel zu klein
für so viele Gefangene, und in den Vorratskellern der Häuser kann man sie auch schlecht über Wochen oder Monate aufbewahren. Ich denke, er wird sie aufteilen. Die Einträglichsten aus wohlhabenden oder edlen Familien wird er mit zum Zabelstein nehmen und dort einkerkern, die anderen auf seine ihm ergebenen Städte und Burgen aufteilen. Ich denke, sie gehen nach Schwarzach, Geroldshofen und nach Hasfurt. Aber nun entschuldigt mich, und übt Euch in Geduld, bis Euer Vater herkommt oder nach Euch rufen lässt.«
Er verbeugte sich lässig und strebte bereits zur Tür, als Elisabeth ihn noch einmal zurückrief. »Friedlein, wisst Ihr denn so genau, wem Eure Loyalität gilt, Eure Liebe und Eure Pflicht? Kann es sein, dass es auch bei Euch für diese Fragen unterschiedliche Antworten gibt?«
Der Narr starrte sie an, dann grinste er breit. »Keine schlechte Frage, mein Fräulein. Ich werde bei Gelegenheit darüber nachdenken – wenn mir der Bischof einmal Zeit für Müßiggang zugesteht.«
»Und werdet Ihr mir dann auch die Antwort verraten?«
Der Narr grinste noch breiter. »Und Ihr, Fräulein Elisabeth? Werdet Ihr es mir sagen, wenn Ihr bereit seid, ehrlich zu Euch selbst zu sein?«
Er wartete keine Antwort ab, sondern eilte hinaus und schloss hinter sich die Tür.
Der Bischof ließ sie rufen. Da ihr eigener Mantel voller Schlamm war, nahm sich Elisabeth widerwillig einen Umhang der Dame von Thüngen und ließ sich von Friedlein zum Ratssaal begleiten, wo die Herren der Stadt dem Bischof und seinem Gefolge ein Mahl ausrichteten. Johann von Brunn winkte seine Tochter zu einem freien Platz in seiner Nähe, nicht jedoch so nah, dass man ein intimes Gespräch ohne fremde Zuhörer hätte führen können. Diese Gelegenheit ergab
sich erst am späten Abend, als der Bischof mit seinem Wein etwas abseits saß und Elisabeth zu sich rief.
»Da bist du also wieder, meine Tochter«, sagte er und musterte sie mit unbewegter Miene. Was sollte sie darauf sagen? So schwieg sie und wartete.
»Ich dachte, ich hätte dich auf den Marienberg geschickt, um dich weitab von Belagerungen in Sicherheit zu wissen.« Elisabeth sagte noch immer nichts. Sie spürte, wie sich die Stimmung des Bischofs verschlechterte.
»Wie kommt es, dass Albrecht plötzlich auszieht und meine Städte belagert? Und du ihn auch noch begleitest? Dafür habe ich dich nicht zu ihm gesandt!«
Für einen Moment war sie versucht, sich damit herauszureden, dass dies ja nicht in ihrer Entscheidung liege. War sie nicht nur ein schwaches Weib? Doch etwas in ihr wehrte sich, diese Rolle anzunehmen. Nein, sie selbst hatte Albrecht überzeugt, dass er seine Flagge im Land zeigen und gegen die Provokationen des Bischofs vorgehen musste. Wie konnte sie das ihrem Vater gestehen? Sie warf einen prüfenden Blick in sein von Krankheit und Schmerz aufgeschwemmtes und vom vielen Wein gerötetes Gesicht.
Nein, das war vielleicht nicht der rechte Ort und nicht
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