Das Antlitz der Ehre: Roman (German Edition)
Schultern.
»Nein, das will ich nicht. Wir müssen zusehen, dass wir den Grafen so schnell wie möglich befreien. Ruf die Männer zusammen, und schick Boten aus, wer von unseren Verbündeten mit wie vielen Geharnischten rasch zur Stelle sein kann!«
Gunter grinste. »Jawohl, Herr, wird sofort erledigt. Wir lassen uns von diesem Bischof doch nicht ans Gängelband legen!«
Er stürmte hinaus. Sobald er außer Sicht war, fiel Albrecht wieder kraftlos auf den Stuhl.
»Wir werden uns nicht ans Gängelband legen lassen?« Er schnaubte. »Häng ich denn nicht schon straff an der Leine, die der von Brunn in seiner Faust hält?«
Es ärgerte Elisabeth, dass Friedlein ihre Pläne durchkreuzt hatte und dass er sie nun anscheinend überwachte, denn jedes Mal, wenn sie in die Nähe der Treppe zum Bergfried kam, tauchte er wie zufällig auf und signalisierte ihr, dass er sie gesehen hatte. Vielleicht war es gerade dieser Umstand, der die Entschlossenheit in ihr bestärkte, etwas zu unternehmen.
Wenigstens schien Friedlein nicht mit ihrem Vater gesprochen zu haben, denn der war nach wie vor aufgeräumter Laune und wartete auf eine Reaktion auf diesen Streich.
»Albrecht wird sich mächtig ereifern, aber er wird vor mir zu Kreuze kriechen«, frohlockte der Bischof seinem Narren gegenüber. Elisabeth dachte, ihr müsse übel werden. Wenn es
noch etwas bedurft hätte, ihren Entschluss zu stärken, dann waren es diese Worte. Allerdings musste sie noch einen Tag und eine Nacht warten, ehe sich die Gelegenheit bot.
Friedlein hatte mit einem Auftrag des Bischofs die Burg verlassen und würde einige Stunden fernbleiben. Kaum war der Narr fort, begab sich der Bischof mit einigen Männern zu einem kurzen Jagdausflug. Obwohl der November sich dem Ende näherte und es seit Tagen winterlich kalt war, ließ es sich der Bischof nicht nehmen, eines seiner Jagdrösser zu besteigen und die Armbrust zu schultern.
Eine bessere Gelegenheit würde sich nicht bieten. Elisabeth eilte in ihre Kammer und nahm ein kurzes, aber scharfes Messer aus der Truhe, verbarg es in ihrem warmen Umhang und lief dann über den Hof. Sie eilte die Holzstiege hoch, stieß die Tür auf und rannte die Treppe hinunter. Der Wächter, der in diesen Stunden Dienst tat, sah sie überrascht an.
»Du sollst sofort zum Tor kommen, befiehlt Hauptmann von Schwarzenberg«, rief sie ihm in alarmierendem Tonfall zu.
Der Wächter griff nach seinem Spieß und lief zur Treppe, zögerte dann aber, hielt inne und drehte sich zu der verriegelten Tür um, hinter der der wertvolle Gefangene saß.
»Was will der Hauptmann? Ich kann den Grafen doch nicht alleine lassen.«
Elisabeth hob die Schultern. »Woher soll ich das denn wissen? Er sagte nur, es sei dringend und du sollest sofort zu ihm zum Tor kommen. Hier wird in den wenigen Augenblicken schon nichts passieren. Die Tür ist doch fest verriegelt. Also lauf!«
Es gelang ihr tatsächlich zum zweiten Mal, einen Wächter von seinem Posten fortzulocken. Ihr Vater täte gut daran, sich seine Männer sorgfältiger auszuwählen, dachte sie, als sie den Riegel aufstemmte.
Der Graf stand wie zum Sprung geduckt nur einen Schritt
vor ihr. Natürlich hatte er das Gespräch mit angehört. Doch er wartete und sah sie fragend an.
»Kommt schnell!«
Nein, eine zweite Aufforderung brauchte er nicht. Schon hatte er sich mit ihr durch die Tür gedrängt. Sein Arm umfasste Elisabeth und schob sie die Treppe hoch. Oben auf dem ersten Absatz zögerte er plötzlich. Er tastete nach etwas Hartem an ihrer Hüfte.
»Ah, Ihr habt an alles gedacht!« Zu ihrem Entsetzen zog er ihren Dolch zwischen den Gewandfalten hervor.
»Eine Messerschneide an Eurem Hals ist natürlich ein sehr überzeugendes Argument!« Hastig schob er die Tür auf und zog Elisabeth weiter über die hölzerne Stiege in den Hof hinab.
So hatte sich Elisabeth das eigentlich nicht gedacht. Was hatte sie sich überhaupt dabei gedacht, ein Messer mitzunehmen? Närrin!
Der Graf wusste wohl mit einer Klinge umzugehen und hielt ihr nun ihren eigenen Dolch an die Kehle. Zwar hatte er sie bisher noch nicht verletzt, doch Elisabeth betete, dass sie nicht straucheln oder über ihren Rocksaum stolpern möge, so ungestüm, wie sie der Graf auf das Tor zuzerrte. Was nützte es ihr, wenn er zwar nicht beabsichtigte, sie zu verletzen, ihr aber infolge einer unbedachten Bewegung die Kehle durchschnitt?
Inzwischen waren sie von einigen Mägden und den Wächtern am Tor entdeckt worden. Die
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