Das Areal: Thriller (German Edition)
Spuren, doch bisweilen hatte sie mit der Brille Mühe, ihnen zu folgen. Mehr als einmal verfehlte sie die richtige Abzweigung und führte das Team in eine Sackgasse oder einen Tunnel, der ihr bekannt vorkam, musste aber nach ein paar Metern feststellen, dass er zur Hälfte mit Geröll und Brackwasser gefüllt war.
Schließlich jedoch fand sie den Weg zurück. Bayles Lager sah noch immer so aus, wie sie es vorgefunden hatte, das Bettzeug und die Klamotten waren noch da. Beim Anblick ihrer Gefängniszelle befiel sie das Grauen, und sie hatte auf einmal das Gefühl, sie habe Ameisen unter der Haut. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und der bohrende Schmerz in ihrer Brust machte ihr zu schaffen. Thorne nickte wortlos, dann teilte sich die Gruppe. Sie gingen in Deckung und warteten.
Naylor und Marquez starben, kurz nachdem sie im Tunnel Stellung bezogen hatten.
34
D as Gebäude, das man die Nadel nannte, war früher mal eine Kirche gewesen, sah allerdings so aus, als habe seit Jahren niemand mehr darin gebetet. Es lag mitten in dem Viertel, wo Charlie und die übrigen verschwundenen Menschen gelebt hatten. Lehrbuch der modernen Architektur, Ausgabe Sechzigerjahre. Im Erdgeschoss Fenster wie bei einem Flughafen-Terminal, inzwischen alle eingeschlagen oder verrammelt, mit einem schmalen, schartigen weißen Turm an der Rückseite. Die Fassade war mit vom Regen ausgewaschenen Plakaten bepflastert, die von Graffiti überlagert waren, jedes einzelne mit einem Namenskürzel gekennzeichnet. Turner und Ghost waren seit drei Stunden und einer weiteren Spritze dort und warteten darauf, dass die Sonne unterging. Vor zwei Stunden ein falscher Alarm, als sich am Ende des Straßenblocks etwas Rotes bewegt hatte. Dann war ein Hund mit den blutigen Überresten eines toten Vogels im Maul aufgetaucht. Seitdem nichts mehr. Von der Rückseite des Gebäudes her drohte keine Gefahr, die Notausgänge waren zugenagelt. Die Vorderseite behielten zwei Typen im ersten Stock des gegenüberliegenden Gebäudes im Auge. Zwei weitere Männer hielten sich in der Nadel auf.
»N icht lange nach der Eröffnung haben Junkies angefangen, sich hier ihre Spritzen zu setzen«, sagte Ghost zu Turner. »D as wurde so schlimm, dass die Kirche geschlossen wurde. Die Junkies sind dann dort eingebrochen. Deswegen und wegen dem Turm auf dem Dach nennt man sie die Nadel.«
Sie hatte wieder abgebaut. War leichenblass, nestelte mit zitternden Fingern an ihren Haaren. Vor einer Weile hatte sie sich für längere Zeit ins Innere der ausgebrannten Etage zurückgezogen, die ihnen als Ausguck diente. Ghost hatte gemeint, sie müsse ihre Notdurft verrichten, doch Turner hatte gehört, wie sie sich übergeben und vor Schmerz gewimmert hatte.
»V or ein paar Jahren wurde das Gebäude von Einheimischen geräumt«, sagte Ghost. »D ie Junkies wurden verjagt, und dann hat man es für Gemeindesitzungen und so Scheiß genutzt. Ich weiß nicht, wie häufig, aber so war es jedenfalls geplant.«
»I m Moment hält sich niemand hier auf. Außer unseren Freunden auf der anderen Straßenseite habe ich keine Menschenseele gesehen. Selbst die Säufer machen um die Nadel einen weiten Bogen.«
Ghost schüttelte den Kopf. »H ier stinkt’s«, sagte sie. »I rgendwas stimmt da nicht. Wenn man lange genug hier gelebt hat, weiß man, wann man sich besser verdrückt. Wenn es nicht um dich und diese Sache ginge, wäre ich nicht hergekommen.«
Zwei Stunden nachdem der indigofarbene Himmel ein tiefes Schwarz angenommen hatte, fuhr ein Van vor das Gebäude, das sie beobachteten. Vier Männer in wenig überzeugend wirkender Straßenkleidung sprangen heraus, zwei eilten in die Nadel hinein, zwei bezogen draußen Stellung. Dann stieg die abgelöste Schicht in den Wagen, und der Van fuhr davon. Seit Turner ihre Leute im Grand ausgeschaltet hatte, hatte sich ihre Verfahrensweise anscheinend nicht geändert.
»D as ist für uns das Signal«, sagte er. »G eben wir ihnen noch eine Minute Zeit, sich auf eine weitere langweilige Nacht vorzubereiten, dann schnappen wir sie uns.«
Als der erste Mann sich umdrehte, sah er gerade noch das Stahlrohr auf sich zukommen. Turners Hieb traf ihn mit einem dumpfen Geräusch an der Schläfe. Sein Kollege hechtete zu seiner Waffe und wollte eine Warnung ins Headset rufen. Ghost trieb ihm die Messerklinge in die Luftröhre und durchtrennte die daneben befindlichen Arterien. Turner nahm einem der Männer das Headset ab und vergewisserte sich, dass es sich
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