Das Areal: Thriller (German Edition)
Labyrinth der Tunnel hineinführte. Thorne reagierte nicht auf Whites Bemerkung. Er betrachtete die Blutspuren, dann nickte er Kate zu.
»N ehmen Sie Proben. Das reicht für eine Analyse«, sagte er. »V ielleicht kriegen Sie doch noch Ihr Heilmittel.«
36
G host schien der Geruch nichts auszumachen. Sie schritt mitten in das Gemetzel hinein und zählte die Toten, während Turner sich das T-Shirt über die Nase zog und sich auf die Treppe setzte. Sie kam bis neunzehn, dann drehte sie sich um und sagte: »A uf der Liste stehen fünfundzwanzig Namen. In den Tunneln müssen sechs weitere Tote liegen.«
Neunzehn Menschen in einem Keller niedergemäht, entweder von Sirius oder in deren Auftrag. Die übrigen Personen von der Liste lagen dort draußen im Dunkeln, wo Kate über sie gestolpert war.
»G laubst du, dein Freund Charlie liegt hier?«
»I ch will es gar nicht so genau wissen«, erwiderte er. »W ie schaffst du es nur, da zu stehen und sie so cool zu zählen? Geht dir das überhaupt nicht nahe?«
Tiefe Traurigkeit lag in ihrem Blick. »I ch wünschte, es wäre so.«
Er richtete sich auf und fühlte sich alt und müde. Trat hinunter zum Ort des Gemetzels und beleuchtete flüchtig die Gesichter der Toten. Sagte: »T ut mir leid, dass ich das gefragt habe, Ghost.«
»D as braucht dir nicht leidzutun. Geht schon in Ordnung.«
»I ch habe Leute gekannt, die hatten ständig mit so Scheiß zu tun. Meistens war’s wohl nicht so schlimm wie hier, aber schlimm genug. Für die war es nur ein Job. Nicht immer leicht, aber eben ein Job. Wenn sie einen Toten untersuchten, unterhielten sie sich über die Footballspiele vom Wochenende. Das war ihre Art, damit umzugehen, und es lässt sich nichts dagegen sagen.«
»A ls ich noch ein Kind war, lag mal ein Toter hinter unserem Haus bei den Müllcontainern. Er lag eine ganze Woche da, bis man ihn schließlich wegbrachte. Wir haben ihn uns alle angesehen.« Sie hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen, denn die Wirkung der Droge ließ nach. Grub die Fingernägel ins Fleisch und zitterte in der Phantomkälte. »E r war aufgeplatzt. War wohl von einem Dach runtergesprungen. Ein unheimlicher, geradezu unwirklicher Anblick. Den Typen habe ich nie vergessen.«
Turner fand Charlie ein Stück weiter hinten. Drei Schussverletzungen, der Leichnam mit getrocknetem Blut bedeckt. Er war wohl schon tot gewesen, als Turner angefangen hatte, nach ihm zu suchen. Die Blutlache war verschmiert; offenbar war er nach seinem Tod bewegt worden. Vielleicht hatte man ihn auf die Seite gewälzt und durchsucht. Mehrere Stühle standen hier unten, auch ein paar Klapptische. Es sah danach aus, als hätte hier eine Zusammenkunft stattgefunden, als die Menschen getötet worden waren. Allerdings gab es keinerlei Hinweis auf den Anlass des Treffens. Plötzlich nahm Turner im Nacken einen kühlen Luftzug wahr und hörte ein tiefes, fernes Zischen wie von einem Gasleck oder kochendem Wasser. Es kam aus den Tunneln.
»T urner«, sagte Ghost. Sie schwankte, hatte Mühe, das Gleichgewicht zu wahren. Ihr Blick glitt von ihm ab, als wäre sie betrunken. Er legte die Hände um ihr Gesicht, sah ihr in die Augen, tastete nach ihrem Puls und vergewisserte sich, dass ihr Atem regelmäßig ging. Versuchte zu erkennen, ob sie wieder ins Koma fallen würde. Ein wenig Blut trat aus ihrer Nase aus; offenbar war eine Kapillare geplatzt. Ihre Augen hatten sich allerdings nicht verfärbt wie beim ersten Mal. Vielleicht war es diesmal weniger schlimm.
»B ist du okay?«, fragte er.
»K önnen wir nach draußen gehen?«
»K lar.« Als sie sich in Bewegung setzen wollte, versagten ihr die Beine. Er fing sie auf, spürte das Brennen der Wundnähte und trug sie nach oben in den Kirchenraum.
Als sie aus dem ramponierten Gebäude auf die Straße traten, kam ihnen ein Grüppchen gewöhnlicher Leute entgegen. Langsam, mit gesenkten Köpfen, die meisten schon älter. Wortlos gingen sie an ihnen vorbei und verschwanden im Gebäude. Turner setzte Ghost an der Wand ab, sodass sie sich anlehnen konnte, und beobachtete die seltsame Prozession.
Kurz darauf schleppten zwei der Leute eine Trage mit einer der Toten heraus. Ein altes Ehepaar, der Mann weinte lautlos. Sie legten die Tote behutsam auf dem Gehsteig ab und reichten die Trage an einen anderen Besucher weiter.
Als die Nachricht sich verbreitete, trafen immer mehr Leute ein. Nach etwa einer Stunde hatte man die meisten Toten aus dem Keller geborgen, und in und um die
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