Das Areal: Thriller (German Edition)
Nadel herum hatten sich etwa fünfzig Personen versammelt. Sie trauerten, suchten nach Angehörigen oder schauten einfach nur zu. Die meisten schwiegen. Ghost hatte noch immer die Arme um die Knie geschlungen, atmete aber wieder gleichmäßiger und war in der Zwischenzeit nicht ohnmächtig geworden. Schließlich näherte sich ihnen zögerlich und wachsam das alte Ehepaar.
»S ie … haben die Männer getötet?«, sagte der alte Mann mit ausgeprägtem osteuropäischem Akzent. »D ie Männer, die hier Posten gestanden haben?«
»J a.«
»I ch danke Ihnen. Die haben uns daran gehindert, das Gebäude zu betreten. Sie haben damit gedroht, uns ebenfalls umzubringen. Deshalb hat sich niemand getraut, etwas zu sagen.«
»H aben Sie jemanden verloren?«
»U nsere Tochter«, antwortete die Frau. »U nsere Tochter Katya und deren Mann. Sie hat Schuhe verkauft. Das hat sie nicht verdient …«
Der alte Mann legte seiner Frau tröstend seine große Hand auf die Schulter. »I ch heiße Dejan. Das ist meine Frau Nadja.«
»D as ist Ghost, ich bin Turner.«
»I ch erkenne Sie wieder, toter Mann.« Er lächelte. »I ch weiß, wer Sie sind. Wir sind ganz normale Leute. Wir sind keine Verbrecher. Unsere Tochter war keine Verbrecherin. Das hätte nicht passieren dürfen.«
»S tammen die Toten alle aus der Gegend?«
Der Mann nickte. »S ie haben eine Versammlung abgehalten. Katya hat uns gesagt, sie wolle daran teilnehmen. Sie kam nicht zurück, und als wir die Männer vor der Kirche sahen, wussten wir Bescheid. Heute aber meinte Jason Andersons Junge, er habe hier Schüsse gehört, und da wollten wir nachsehen, ob sich die Lage verändert hat.«
»H at Katya Ihnen gesagt, worum es bei der Versammlung ging? Ich nehme an, es war schon ungewöhnlich, dass man sich dort im Keller treffen wollte.«
»W issen Sie über die Tunnel Bescheid?«
Ghost regte sich an Turners Seite und sagte, ohne aufzublicken: »D ie verlaufen unter dem Areal und führen unter dem Fluss hindurch. Früher fuhr da mal eine kleine Eisenbahn drin, aber jetzt sind die meisten überflutet.«
»R ichtig. Ich habe schon hier gelebt, als sie noch in Benutzung waren. Mein Cousin gehörte zur Wartungsmannschaft. Die Tunnel dienten der Postbeförderung und der Versorgung der Fabriken am anderen Ufer. Als der Tower erbaut wurde und dessen Fundamente absackten, wurden bei Hochwasser zahlreiche Gänge überflutet. Jetzt gehen da natürlich viele Jugendliche rein, um ihre Tapferkeit zu beweisen.« Er schüttelte den Kopf.
Turner sagte: »I m Keller der Nadel gibt es einen Zugang. Ich habe Wassergeplätscher gehört.«
»J a. Vor einigen Wochen sind mehrere Kinder krank geworden, nachdem sie in den Tunneln gespielt hatten. Sehr krank. Zwei von ihnen sind gestorben. Katya kannte beide. Die Eltern fanden heraus, dass die Kinder einen Tunnelabschnitt erkundet hatten, der normalerweise überflutet und unpassierbar ist, aufgrund der Hitze und des niedrigen Wasserstands aber ausgetrocknet war. Dabei sind sie krank geworden. Es sollte eine Versammlung geben. Katya meinte, ein paar der Eltern wollen herausfinden, wo ihre Kinder genau gewesen seien und was die Ursache der Krankheit sei, denn das könnte für uns alle wichtig sein.«
»U nd dann sind einige von ihnen in die Tunnel hinuntergestiegen«, sagte Turner. »D ie anderen sind hier im Keller geblieben. Wahrscheinlich wollten sie abwarten, bis alle wieder da wären und sie wüssten, womit sie es zu tun hatten, um dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden.«
Der alte Mann breitete die Hände aus. »I ch weiß es nicht. Katya hat uns gesagt, dass sie sich dort treffen wollten, aber was dann geschah … das wissen nur die Menschen, die das getan haben.«
»E s sei denn, es gab Überlebende«, erwiderte Turner. »D ann könnte es sich rumgesprochen haben …«
»D avon weiß ich nichts.« In den Augen des alten Manns glitzerten Tränen. »S ie werden das doch aufklären, nicht wahr?«
»D as hoffe ich.«
»D ie Polizei interessiert sich bestimmt nicht dafür. Wenn Sie was rausbekommen, werden Sie nicht wissen, an wen Sie sich damit wenden sollen.«
»A ber neunzehn Tote, und sei es im Areal …«
»E s interessiert niemanden, was im Areal vorgeht«, erklärte der Mann. »D ieser Ort verschlingt seine Bewohner. Wir werden die Toten begraben und dann weitermachen wie bisher.«
»J emand hat einen Eintrag im Buch vorgenommen«, sagte Turner. »E r hat den Tower gebeten, die Toten zu rächen.«
»D ann wird die
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