Das Arrangement
Party zurückgehen. Für heute Abend hatte sie genug Aufregung gehabt.
Doch kaum war sie zwei Schritte gegangen, als Andrew ihr etwas zurief. Sie drehte sich um und sah nur noch, wie er auf sie zusprang. Sie hatte keine Gelegenheit mehr, ihm auszuweichen. Eh sie sich versah, packte er sie an den Schultern und riss sie mit solcher Kraft zurück, dass Marnie buchstäblich den Boden unter den Füßen verlor. Rückwärts taumelte sie gegen das Geländer.
Als sie an das Eisengerüst prallte und zusammensackte, hörte sie ein lautes Scheppern und Krachen, als explodiere neben ihr etwas. Das Geräusch kam nicht von den tosenden Wellen. Marnie spürte, wie sich kleine spitze Gegenstände schmerzhaft in ihre Haut bohrten. Es tat fürchterlich weh.
Etwas hatte sie an der Schläfe getroffen. Das Blut lief über ihr Gesicht, sie konnte es schmecken, als es über ihre Lippen tropfte. Aus ihrer Kehle drang nur ein merkwürdiger Ton, der ganz fremd und erstickt klang. Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als sich zusammenzukrümmen und mit Andrews Jackett zu schützen, welches sie sich über den Kopf gezogen hatte.
14. KAPITEL
M arnie klammerte sich verzweifelt an das Geländer.
Lass ihn nicht an dich heran! Du musst dich vor ihm schützen!
, schrie eine Stimme in ihr, die jeden vernünftigen Gedanken auslöschte. In all den Jahren, in denen sie belästigt und angegriffen worden war, hatte sie gelernt, um ihr Leben zu kämpfen.
“Rühr mich nicht an!”, schrie sie und trat mit dem Fuß zu.
Andrew wich ihrem langen spitzen Absatz aus. “Was soll denn das, zum Teufel! Ich versuche dir zu helfen!”
“Du wolltest mich übers Geländer schubsen!”
“Nein, ich hab dich aus dem Weg gestoßen!”
“Aus dem Weg?”
“Hier!” Er zeigte auf eine riesige runde Tonscheibe und einen Haufen Scherben, die einmal zu einem großen Pflanzenkübel gehört haben mussten. “Das Ding kam dort oben vom Balkon geflogen.”
Sie rappelte sich hoch und bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Scherben waren eindeutig Überreste eines Tontopfes. Überall lagen spitze, scharfe Tonstücke verstreut, einige von ihnen beängstigend groß und spitz. Pflanzenkübel flogen nicht von selbst in solchem Bogen von einem Balkon.
“Ich habe jemand da oben gesehen”, sagte sie. “Es war eine Frau, glaube ich.”
Er blickte nach oben, doch da war niemand mehr. “Himmel noch mal”, sagte er leise.
Er wirbelte zu Marnie herum, und sie hob automatisch schützend die Arme. Es war eine instinktive Reaktion, sie konnte nicht anders. In solchen Situationen reagierte sie wie ein posttraumatisches Opfer. Obwohl ihr klar war, dass Andrew gar nicht der Angreifer gewesen sein konnte, gab es nur den Überlebensinstinkt, der sie schnell und direkt handeln ließ.
“Das Ding hätte dir den Kopf einschlagen können”, sagte er. “Ich habe dich aus dem Weg gezogen. Warum zum Teufel sollte ich dir etwas antun wollen, Marnie? Warum?”
Sie sackte gegen das Geländer. Er hatte recht. Sie konnte ihm nur von Nutzen sein, wenn sie lebte. Er war womöglich die einzige Person, der sie trauen konnte, wenn auch aus einem äußerst verqueren Grund. Wie sollte man sich auf jemanden verlassen, von dem man wusste, dass er sein gesamtes Umfeld betrog? Ihre Gedanken rasten noch immer. Sie hatte sich mit ihm gerade etwas sicherer gefühlt, und nun begann sie wieder alles infrage zu stellen, vor allem diese Reise nach Mirage Bay.
Es war ihr damals sinnvoll erschienen. Sie hätte ihn verlassen können, als sie sich erholt hatte, irgendwo anders neu anfangen. Doch das hatte sie nicht getan. Sie wusste, dass sie niemals nach Mirage Bay hätte zurückkehren können, nicht mit Alisons Gesicht und als Mordverdächtige. Was, wenn jemand ihre wahre Identität aufgedeckt hätte? Doch sie wollte sich davon überzeugen, dass es ihrer Großmutter gut ging. Und vielleicht wollte sie auch Andrews Geschichte glauben, dass jemand ein böses Spiel mit ihm trieb – und seinem Versprechen, dass er ihrer beider Unschuld beweisen würde.
Nach reiflicher Überlegung hatte sie damals entschieden, bei ihm zu bleiben. Jemand, der wie Alison Fairmont aussah, konnte nicht so einfach verschwinden. Als Marnie Hazelton hätte sie sich jederzeit im Wald verbergen und von Beeren und Nüssen leben können. Sie hätte sich unter Obdachlose mischen oder draußen in der Wohnwagensiedlung unterkommen können, aber nicht als Alison. Eine Alison Fairmont lebte nicht auf der Flucht. Sie wäre ein
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