Das Aschenkreuz
dem Markt in den Garten müssen. Viel Zeit bleibt uns nicht mit Wendelin, ich muss heute noch einen Krankenbesuch machen.»
«Ich weiß, Grethe. Aber allein schaffe ich es nicht, den Schaden zu beheben.»
«Sag mal ehrlich.» Grethe hielt mit dem Topfschrubben inne. «Dir geht es doch nicht allein ums Einkaufen und um die Vogelscheuche, oder?»
«Nein, du hast recht.» Sie senkte die Stimme. «Ich will noch Achaz aufsuchen, den neuen Stadtarzt. Er muss wissen, dass es bei Hannes’ Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Versprich mir eins, Grethe. Du darfst mit niemandem über diese Dinge reden.»
Grethe sah sie sorgenvoll an. «Du reitest dich da in was rein. Gib bloß acht, dass dir das nicht über den Kopf wächst.»
Als sie hinaus auf das Brunnengässlein traten, wehte ihnen ein kühler und feuchter Wind ins Gesicht. Das Wetter schien tatsächlich umschlagen zu wollen, und so beeilten sie sich, mit ihren beiden Körben unterm Arm, in die Große Gass zu kommen.
Serafina hatte lange mit sich gerungen, Adalbert Achaz aufzusuchen. Doch zu viele Fragen, zu viele Unklarheiten hatten sich inzwischen aufgetan, und wenn ihr jemand weiterhelfen konnte, dann er. So glaubte sie sich beispielsweise zu erinnern, dass Wendelin schon vor dem Aufprall auf dem Boden der Kopf abgerissen war. Und das bedeutete doch nichts anderes, als dass dem armen Hannes, wenn er sich aus großer Höhe herabgestürzt hatte, das Genick gebrochen sein müsste.
«Weißt du, wo der Stadtarzt wohnt?»
Grethe schüttelte den Kopf. «Nein. Übrigens ist da noch was, was du wissen solltest. Heiltrud glaubt, du würdest diesen Achaz recht gut kennen. Von früher.»
Wie vom Donner gerührt blieb Serafina stehen. «Wie kommt sie bloß darauf?»
«Die Art und Weise, wie ihr euch angesehen hättet. Und wie ihr miteinander geredet hättet, an dem Tag der Totenwache bei Pfefferkorns.»
«Diese elende Schwatzbase. Wem hat sie das noch erzählt?»
«Ich weiß nicht. Aber Adelheid war mit dabei. – Kennst du ihn also?»
«Ich hab ihn ein Mal im Leben gesehen», erwiderte sie bestimmt und mit viel zu lauter Stimme. «Das ist alles.»
Und das war nicht einmal gelogen.
Als sie den Platz Bei den Barfüßern erreichten, kam ihnen auch schon Barnabas entgegengewackelt.
«Der hat uns bestimmt hier abgepasst», knurrte Grethe. «Kannst
ihn
ja fragen, wo dein Achaz wohnt.»
Obwohl der Bettelzwerg draußen vor den Mauern in einer einfachen Hütte am Waldrand hauste, kannte er in Freiburg Hinz und Kunz und dazu jeden noch so verborgenen Winkel der Stadt. Manchmal fragte sich Serafina, wie er es anstellte, immer und überall zur Stelle zu sein. Gerade so, als ob es ihn in mehrfacher Ausfertigung gäbe. Jetzt ging ein Leuchten über sein viel zu großes Gesicht.
«O gülden Tag, o holde Sonn – euch hier zu sehen, ist eine Wonn!»
Er verbeugte sich so tief, dass sein widerborstiges gelbes Haar den Boden berührte. Wie immer, wenn Barnabas guter Dinge war, sprach er in Reimen.
Grethe zog ihn wieder in die Höhe. «Alter Spaßvogel. Siehst du heut irgendwo die Sonne?»
Wirklich hatte sich der Himmel grau in grau zugezogen.
«Hör mal, Barnabas», fragte Serafina, während sie weitergingen in Richtung Markt. «Weißt du, wo der neue Stadtarzt wohnt?»
Der Zwerg legte den Kopf schief.
«Adalbert Achaz, der einsame Wolf?»
«Was redest du nur manchmal für einen Unsinn. Also, weißt du nun, wo Achaz wohnt oder nicht?»
Statt einer Antwort nahm er ihre Hand und zerrte sie zurück in Richtung Barfüßer.
«So warte doch. Nicht so schnell.» Serafina riss sich los. «Treffen wir uns nachher am Fischbrunnen wieder?», wandte sie sich an Grethe. «Es wird nicht lange dauern.»
«Meinetwegen. Tu, was du nicht lassen kannst. Aber meinen Segen hast du nicht.»
Barnabas musste für jeden von Serafinas Schritten zwei machen, als sie jetzt das Kloster der Barfüßer umrundeten. Sie hoffte inständig, auf keinen der Mönche zu treffen. Die Schwestern zu Sankt Christoffel unterstanden nämlich wie die meisten Freiburger Beginen und Terziarinnen der geistlichen wie auch der rechtlichen Betreuung durch die Franziskaner, und so kannte Serafina jeden Einzelnen der Klosterbrüder.
Hinter dem Portal von Sankt Martin bogen sie in die Barfüßergasse ein, die von recht ansehnlichen Häusern gesäumt war. Doch auch hier gab es Gebäude, die seit der Großen Pest leer standen und deren hübsche Fassaden dem Verfall preisgegeben waren.
Als Barnabas vor dem Haus
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