Das Aschenkreuz
und der Schreiber nickten ihr freundlich zu, während Nidank ärgerlich die Stirn runzelte.
«Ihr schon wieder, Schwester?»
«Ganz recht. Für diesmal geht es mir um einen Menschen, der völlig unschuldig hier eingekerkert ist.»
«Ihr meint ja wohl nicht diesen Schandbuben, der um eines Schlüssels willen den Wilhelmiten abgestochen hat?»
«Ein Schandbube ist der, der die Tat begangen hat, allemal. Aber warum sollte Barnabas nur wegen eines Schlüsselbundes so etwas tun? Könnt Ihr mir das verraten?»
Nidank betrachtete sie herablassend. «Ihr seid neu hier, das merkt man. Die ganze Stadt weiß, dass dieser Narr alles sammelt, was funkelt und glänzt. Und davon gibt’s in der Sakristei der Wallfahrtskapelle mehr als genug. Da ergibt das mit dem Schlüssel durchaus einen Sinn.»
«Barnabas ist dennoch unschuldig.»
«Was macht Euch da so sicher?», mischte sich Laurenz Wetzstein ein.
«Weil ich Barnabas kenne und meine Hand für ihn ins Feuer lege. Und weil ich bei seiner Festnahme dabei war. Er hatte nicht mal die Gelegenheit, sich zu erklären.»
«Wie? Ihr wart heute Morgen draußen vor der Stadt?»
«So ist es. Zusammen mit Gisla, der Kräuterfrau. Und wir waren ganz sicherlich nicht die Einzigen, die zu so früher Stunde unterwegs waren. Dabei stellt sich mir die erste Frage.» Sie wandte sich nun ganz Wetzstein zu. «Ihr habt doch den Leichnam gewiss schon besichtigt.»
«O ja.» Der Zunftmeister wischte sich den Schweiß von der Stirn. «Fürwahr kein schöner Anblick.»
«Ist er bereits ärztlich untersucht worden?»
«Was geht Euch das an?», fuhr Nidank dazwischen.
Wetzstein winkte ab. «So lass sie doch, Sigmund. – Ja, Schwester, Meister Henslin hat ihn mit aller Sorgfalt untersucht.»
Ausgerechnet Henslin, dachte Serafina. «Warum nicht der Stadtarzt?», setzte sie nach.
«Adalbert Achaz weilt zu dieser Stunde noch in Basel. Bis auf seine Rückkehr zu warten, wäre bei dieser Hitze, wie Ihr Euch denken könnt, ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.»
«Sei’s drum – hat Euch Meister Henslin sagen können, wie lange der Leichnam schon unter den Bäumen lag?»
Die beiden Ratsherren sahen sie verblüfft an. «Nein, davon hatte der Wundarzt nicht gesprochen», entgegnete Wetzstein schließlich.
«Seht Ihr?» Serafina konnte den Triumph in ihrem Tonfall nicht unterdrücken. «So mag der Mord also auch in der Nacht oder am Vorabend geschehen sein. Und dass Barnabas bei der Leiche gefunden wurde, wäre dann reiner Zufall. Ebenso hätte man Gisla und mich dort vorfinden können.»
Nidank wurde sichtlich ungeduldig. «Jetzt geht uns aus dem Weg, Schwester. Ihr stehlt uns unsere kostbare Zeit.»
«Ich möchte mit Euch kommen. Lasst mich mit Barnabas reden. Vielleicht hat er den wahren Mörder sogar gesehen.»
«Das schlagt Euch nur aus dem Kopf. Ihr habt bei unserer Befragung nichts zu suchen.»
«Ist das auch Eure Meinung?», fragte sie Laurenz Wetzstein, der ihren Worten aufmerksam zugehört hatte.
«Mein werter Ratskollege hat recht. Bei dieser ersten Anhörung darf selbstredend kein Außenstehender zugegen sein. Aber ich schätze Eure Fürsprache zugunsten des Verdächtigen, der bis zum Abfassen des Geständnisses durchaus als nicht schuldig gelten kann. Und ich werde Eure Einwände überdenken. Ansonsten müsst Ihr die Rechts- und Urteilsfindung schon dem Heimlichen Rat und seinen Beisitzern überlassen.»
Serafina spürte, dass sie hier nicht weiterkam. Ganz umsonst indessen wollte sie nicht auf die Ratsherren gewartet haben.
«Nur noch eines, werte Herren. Um noch einmal auf Hannes Pfefferkorn zurückzukommen: Beide Tote haben etwas gemeinsam, nämlich einen Strick um den Hals und ein Kreuz aus Asche auf der Stirn.» Sie sah Nidank durchdringend an. «Wollt Ihr noch immer verkennen, dass auch Hannes ermordet wurde? Dass er völlig zu Unrecht auf dem Schindacker verscharrt worden ist?»
Nidank schnappte nach Luft. «Jetzt ist’s endgültig genug. Im Übrigen warne ich Euch ein für alle Mal: Hört endlich auf, in den Angelegenheiten des Rats herumzuschnüffeln.»
Noch vor dem Abendessen versammelten sich die Schwestern im Refektorium, um über das Geschehene zu sprechen. Nachdem Serafina Gelegenheit gehabt hatte, alles, was sie erfahren und erlebt hatte, zu berichten, ergriff Catharina das Wort.
«Unser Freund Barnabas steckt in ernsthafter Not, und wir sollten uns beratschlagen, wie wir ihm in diesen schrecklichen Stunden beistehen oder gar aus seiner Lage heraushelfen
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