Das Attentat - 0
wussten.«
»Wollen Sie mir Angst einjagen, Gaunt?«, sagte Lugo mit einem aufgesetzten herzlichen Lachen.
»Nein, Herr Marschall. Aber ein gesundes Gefühl der Ehrfurcht wäre nicht fehl am Platz. Wir erleben eine Zeit der Wunder, Herr Marschall. Es lässt sich unmöglich sagen, was sie bringen wird, aber es wird in jedem Fall bedeutsam und folgenschwer sein.«
Gaunt hörte Stimmen und Schritte im Flur vor dem Raum, ignorierte sie jedoch. »Hoffen wir nur«, sagte er ganz direkt, »dass wir das Ende des Kreuzzugs erleben. Den Sieg in den Sabbatwelten und die Niederlage und Flucht des Feindes. Wenn die Beati auf Morlond …«
»Ich gehe nicht nach Morlond«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Gaunt drehte sich um. Sabbat stand im Eingang des Raums und hatte eine Hand erhoben, um die Vorhänge aus Stahlgewebe zurückzuschlagen. Sie trug eine schlichte graue Kampfuniform und schwere schwarze Infanteriestiefel. Ihre Haut war totenbleich, und ihre Augen verrieten Erregung und Tadel.
»Beati«, sagte Gaunt und neigte den Kopf. Lugo und Kaldenbach folgten seinem Beispiel.
»Ich gehe nicht nach Morlond«, wiederholte sie, während sie den Raum betrat und das Stahlgeflecht wieder herunterfallen ließ. Durch die Ritzen konnte Gaunt die draußen wartenden Haustruppen sehen, die zu verängstigt waren, um ihr in den Raum zu folgen.
»Hier ist noch viel Arbeit zu verrichten«, sagte sie. »Wichtige Arbeit. Das ist mein Zweck. Morlond kann warten oder auch ohne mich gebändigt werden.«
»Beati, wir …«, begann Gaunt.
Sabbat legte ihm sanft eine Hand auf den Arm, und Gaunt verstummte, unfähig weiterzureden.
»Herodor ist der Schlüssel, Ibram. Das hat der Warpraum gezeigt. Ich werde erst von hier weggehen, wenn diese Arbeit erledigt ist.«
»Wie …«, begann Lugo. »Wie können wir Ihnen dienen, Beati?«
»Ich habe Ibram gesucht. Es wird Zeit. Sie kommen, und ich fürchte mich. Ich habe meinen Beschützer gesucht. Meine Ehrengarde.«
»Die Tanither?«, flüsterte Gaunt.
»Sie und die Tanither. Die brauche ich jetzt.«
»Was meinen Sie mit ›Es wird Zeit‹?«, fragte Gaunt.
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu den Glastüren, die sie mit einem Druck ihrer Finger öffnete. Sie gingen nach draußen auf die Dachterrasse. Lugo und Kaldenbach folgten.
Die Terrasse war ein Halbkreis aus Gesteinsbeton, der wie ein Sims aus den steilen Dachetagen des Turms der Altmakropole ragte. Eine Panzerglaskuppel schützte sie vor der arktischen Atmosphäre. Die Stadtlandschaft der Civitas Beati breitete sich unter ihnen aus, tief unter ihnen, ein braunes Labyrinth aus eckigen Schatten. Nicht weit entfernt erhob sich die massive Gestalt des zweiten Makropolturms beinahe bis in diese Höhe, eine gigantische Silhouette vor der gerade aufgehenden Sonne.
Den Rand der Terrasse bildeten Terrakottakübel. Die darin gepflanzten Rosen und Sambluscus waren infolge mangelnder Pflege verwelkt und verdorrt, aber sie erinnerten Gaunt an Lord Chass’ Dachgarten in der Oberspindel der Vervunmakropole.
Gaunt empfand einen Anflug von Furcht und Melancholie. Ohne eine Metallblume aus diesem Garten wäre er auf Verghast gestorben.
Hier gab es keine Blumen.
Sabbat zeigte zum Himmel. Er war hellblau und mit leuchtend gelben Bändern und Wolkenbänken im Osten bedeckt. Die letzten Sterne waren noch sichtbar.
»Sie kommen«, sagte sie noch einmal. »Sie sind schon da. Deswegen werde ich nicht nach Morlond gehen. Ich kann jetzt nirgendwo mehr hin.«
Gaunt starrte auf den Teil des Himmels, auf den ihr schlanker Finger gezeigt hatte.
»Wie meinen Sie …«
Ein Blitz. Für einen Augenblick. Ein kleiner Funke hoch oben zwischen den Sternen. Dann noch einer. Wie ein Gewitter im All.
»Was meint sie?«, zischte der in der ungeheizten Luft des Dachgartens zitternde Lugo Gaunt zu.
»Eine Raumschlacht. Die Flotte kämpft. Ein Angriff auf den Planeten hat begonnen.«
»Ganz sicher nicht«, sagte Kaldenbach. »Wir hätten davon gehört …«
»Er hat gerade erst angefangen«, sagte Gaunt. »Geben Sie die Befehle, Herr Marschall. Treffen Sie alle Vorbereitungen für einen Bodenangriff.«
»Das wäre gewiss verfrüht!«, sagte Kaldenbach mit einem spöttischen Unterton. »Flottenkapitän Esquine schützt unsere Interessen. Vier Linienschiffe … die Omnia Vincit allein könnte …«
Gaunt ignorierte ihn. »Beati?«
»Sie sind hier, Ibram. Ich brauche Sie jetzt. Sie werden mich beschützen, nicht wahr? Sie und Ihre Geister? Sie werden mich
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