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Das Auge der Seherin

Das Auge der Seherin

Titel: Das Auge der Seherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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auftauchte.
    Torina saß auf einem wunderschönen Teppich neben ihrer Großmutter und nippte aus einer Wasserschale, um sich für den nächsten Tanz zu erfrischen. Sie war eine begeisterte Tänzerin. Das Wasser belebte sie und sie kam wieder zu Atem. Doch sie verspürte eine unerklärliche innere Unruhe, die sie belästigte wie eine winzige Stechmücke, die sich nicht einfangen lässt. Suchend sah sie sich um, doch alle schienen das Fest zu genießen. Nervös tastete sie nach der Kristallkugel in ihrer Tasche. Es hatte den Anschein, als pulsiere sie in ihrer Hand. Sie zog sie hervor.
    Im Kristall erkannte sie ein steil ins Meer abfallendes Felsufer. Winzige Regenbogen blitzten in der Gischt auf, wo die Wellen gegen die Klippen brandeten. Dann tauchte Landen auf. Er hing mitten in der hohen Felswand und klammerte sich mühsam an kleinen Vorsprüngen und Vertiefungen fest. Sein weißes, schweißglänzendes Gesicht war vor Anstrengung verzerrt. Dann verloren seine Finger ihren Halt und er stürzte in die Tiefe.
    Torina sah alles in ihrer Kugel und wusste, diesen Sturz konnte er nicht überleben. Sie warf einen kurzen Blick auf das friedliche Gesicht ihrer Großmutter, dann ließ sie den Kristall in ihre Tasche zurückgleiten, stand auf und ging mit ruhigen, aber schnellen Schritten davon.
    Sobald sie die den Festplatz umsäumenden Bäume erreichte, rannte sie so schnell sie konnte, ohne auf das Stechen in ihrer Seite zu achten. Sie rannte bis hinter die königlichen Stallungen. Ruhig ging sie nach vorn zum Eingang. Drinnen war nur der Stalljunge Bant, der es sich auf den Heuballen bequem gemacht hatte. Als sie eintrat, sprang er auf.
    Rasch sah Torina sich im Stall um und entdeckte eine lange Seilrolle, die hoch oben an einem Nagel hing. „Bant! Bring mir das Seil dort." Der Junge langte mit einer Heugabel hinauf.
    Währenddessen ging Torina zielstrebig zu Amber, dem
    Pferd des Königs, und öffnete die Box.
    „Hilf mir das Pferd satteln."
    „Will der König darauf reiten?"
    „Beeil dich!", antwortete sie nur.
    Bant eilte ihr zu Hilfe, wuchtete einen enormen Sattel auf den mächtigen Pferderücken und zog die Gurte fest. Torina nahm die Seilrolle, schlang sie um das Sattelhorn und führte Amber ins Freie. Im Hinausgehen rief sie Bant noch ihren Dank zu.
    Sie schwang sich auf das größte Pferd des Königs und ritt davon.
    Schwer atmend preschte Beron durch die Bäume, er rannte, als seien sämtliche Jagdhunde des Königs hinter ihm her. Er bildete sich ein, Schritte hinter sich zu holen, Schritte, die ihn verfolgten und immer näher kamen. Er spürte ein Rauschen in seinen Ohren. Nur ein Gedanke beherrschte ihn - er musste zum Fest zurück, bevor er vermisst wurde. Äste schlugen ihm ins Gesicht, als er wie blind das Unterholz durchquerte, sich die Arme aufschürfte und die Kleidung zerriss. Doch er spürte die Zweige kaum und rannte weiter, bis er stolperte und schwer atmend liegen blieb.
    Vor sich sah er schon den heller werdenden Wald, dort, wo die Lichtung begann, wollte er hin. Die Sonne am wolkenlosen Himmel schien ihm Rettung zu versprechen - er würde es schaffen. Keiner hatte ihn gehen sehen, darauf hatte er geachtet. Und niemand hatte gesehen, wie er Landen über die Klippen gestoßen hatte. Niemand.
    Kurz vor dem Waldrand machte er eine Pause, lehnte sich gegen einen jungen Stamm und rang nach Luft. „Trainierst du schon für den morgigen Wettkampf?" Die kühle, tiefe Stimme hinter ihm erschreckte ihn. Hauptmann Vesputo studierte ihn gelassen aus undurchdringlichen Augen, als sei er, Beron, ein spaßiges, vertrautes Spielzeug. Der junge Mann versuchte vergeblich sich zu fassen und zu Atem zu kommen. „Was gibt's, Sieger, bist du zu schnell gelaufen?" Vesputo machte ein paar Schritte auf ihn zu. Beron schloss die Augen und versuchte verzweifelt, wieder zu Kräften zu kommen. Vesputo hatte alles gesehen,
    das war gewiss. Der Hauptmann hatte ihn gehen sehen, hatte seine Absicht erkannt, und jetzt würde er ihn zur Rechenschaft ziehen, weil er das erste und wichtigste Gesetz der Krieger gebrochen hatte. Er hatte einen Kameraden getötet. Schweiß rann über sein Gesicht. Hilflos rang er nach Luft.
    „Komm", riss Vesputos Stimme ihn aus den Gedanken. „Vielleicht hast du heute zu lang in der Sonne gestanden. Erlaube mir, dich zu begleiten." Starke Arme hielten ihn fest. Vielleicht würde Vesputo ihn doch nicht zur Hinrichtung führen. Stammelnd dankte er ihm für die Hilfe. „Bitte."
    Sie kamen auf die

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