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Das Auge des Basilisken

Das Auge des Basilisken

Titel: Das Auge des Basilisken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kingsley Amis
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klaren und einigermaßen vollständigen Eindruck davon erworben zu haben, wie das englische Leben in den Jahren vor der Pazifizierung gewesen war.
    »Genau das ist der Fall«, sagte Mets mit ungezwungenem Lächeln. »Die jüngsten Leute dieser Gruppe sind jetzt Anfang sechzig, und natürlich ist die Gruppe als Ganzes nicht groß. Meinen Sie, daß sie genug Einfluß haben könnte, um Christen oder potentielle Christen oder ehemalige Christen davon abzuhalten, daß sie auf unsere Aufrufe antworten?«
    »Ihr Einfluß ist sicherlich groß genug, um das zu bewirken. Und es sollte nicht allzu schwierig sein, die Vermutung, daß solche Einflüsse in diesem Fall wirksam geworden sind, zu bestätigen. Sie müssen wissen, ich bin mit meinem Vater nicht darin einig, daß es gleichgültig sei, was die Einheimischen von uns denken.«
    »Aber für etwas, das vor fünfzig Jahren geschehen ist …«
    »Und für etwas anderes, was seit fünfzig Jahren vorgeht. Ich bin hier aufgewachsen, wenn ich das hier erwähnen darf. Diese alten Leute würden alles tun, um uns einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen und unsere Wünsche und Vorhaben zunichte zu machen, Papa.«
    »Aber warum?« beharrte Mets, »gibt es keine ähnliche Bewegung zum Boykott der Theater- und Literaturprojekte, wenn diese Obstruktionstheorie richtig ist?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht spüren sie, daß sie ihre Anstrengungen konzentrieren müssen.«
    »Oder vielleicht …« Petrowskys Augen, manchmal und jetzt auch wieder von einem tieferen Blau als die seines Sohnes, hatten die gleiche Technik, plötzlich gleichgültig zu blicken, »vielleicht sind in religiösen Fragen echt Religiöse mit im Spiel. Vielleicht wollen sie uns damit sagen: ›Tut mit unserer Literatur, unserem Theater und unserer Musik, was euch gefällt; wir helfen euch sogar dabei, warum nicht? Aber unser protestantischer Glaube ist etwas anderes; wenn ihr euch da einmischen wollt, erwartet nicht von uns, daß wir mitmachen.‹ Die Engländer sind ein stolzes Volk, und sie haben für das, woran sie glaubten, oft bis zum Tode gekämpft.«
    »In früheren Zeiten«, erwiderte Mets, »als alle anderen das gleiche taten.« In nachdenklicherem Ton fuhr er fort: »Und die Auswirkungen dieser letzten fünfzig Jahre werden sicherlich …«
    »Das ist in der Geschichte einer Religion keine lange Zeit, lieber Mets. Noch heute gibt es in Rußland Baptisten.«
    »Einige, aber wenn sie sich in einer ähnlichen Situation befinden wie die Anhänger der anglikanischen Kirche zur Zeit ihrer Unterdrückung, so hat das andere Gründe. Sie, die Anglikaner, sind seit langem von den Kräften der Aufklärung bedrängt, von innen wie von außen. Bekanntlich waren sie schon zur Zeit unserer Großeltern im Niedergang begriffen, sowohl was die Zahl der Gläubigen als auch was den Inhalt ihrer abergläubischen Vorstellung betrifft: die meisten von ihnen lebten zugleich in einer laizistischen, wissenschaftlichen oder halbwissenschaftlichen Vorstellungswelt, selbst der Klerus und nicht zuletzt der höhere Klerus, und der Rest der Gläubigen war zu demoralisiert, um sie nicht zu dulden. Die Unterdrückung beschleunigte nur das Unausweichliche. Es scheint mir nicht wahrscheinlich, daß es heutzutage …«
    Petrowsky hatte dieser Wiederholung bereits vertrauter Gedankengänge mit unmerklicher Ungeduld zugehört. Nun unterbrach er den anderen. »Mein lieber Mets, sind wir da nicht in Gefahr, unserer eigenen Propaganda zu glauben?«
    »Möglicherweise«, sagte Mets. Er war solche Bekundungen eines, wie er es genannt haben würde, Salonliberalismus gewohnt, nicht nur von Seiten des Verwaltungschefs, hatte aber weniger Geschicklichkeit erworben als der andere, seine Gefühle zu verbergen. Mit einer beinahe heftigen Bewegung wandte er sich zu Alexander. »Was ist Ihre Ansicht, Fähnrich?«
    Der Befragte war in der unangenehmen Lage, daß er weder seinem Vater noch Mets zustimmen wollte, dabei aber vermeiden mußte, unwissend oder gleichgültig zu erscheinen. »Das religiöse Gefühl ist da«, improvisierte er matt, »aber seine Kraft dürfte schwierig einzuschätzen sein. Wir haben keine anderen Erkenntnisse, nach denen wir urteilen könnten.«
    »Danke«, sagte Mets. »Nun, kehren wir zu den Tatsachen zurück. Eine, die ich bedeutsam finde, ist, daß kein einziger der früheren Geistlichen, an die ich mich um Unterstützung der Religionsabteilung wendete, meinen Brief beantwortet hat. Nicht einer! Das muß verabredetes Handeln

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