Das Auge des Sehers (German Edition)
Mangold vor.
«Arian war gar nicht Ihr Feind.»
«Sagt wer?»
«Ich!»
«Und woher wollen Sie das wissen, Frau Kupfer?»
«Weil es einen Zeugen gibt, einen sehr glaubhaften übrigens, der aussagt, dass Sie sich mit Arian sehr freundschaftlich unterhielten.»
«Dann reden wir nicht um den heissen Brei herum. Nennen Sie Ross und Reiter, aber stehlen Sie mir nicht meine Zeit.»
«Vor gut drei Wochen wollten Sie Arian Nostramo in der Zentrale besuchen. Sie kamen gerade hinzu, als ihn jemand arg bedrängte. Erinnern Sie sich an diesen Vorfall?»
«Nein. Ihr Zeuge lügt.»
«Sie stellten sich schützend vor Arian.»
«Lächerlich! Arian Nostramo hat mir alles versaut. Weshalb in Gottes Namen sollte ich ihm helfen?»
«Das fragen wir uns auch.»
«Sie glauben mir nicht, Herr Kommissär? Gut, dann soll Ihr Superzeuge mir das ins Gesicht sagen. Wir werden ja sehen, wer lügt.»
«Das lässt sich problemlos arrangieren.»
«Was wollen Sie eigentlich von mir?»
«Die Wahrheit, das wäre uns mit Abstand am liebsten. Ihre anfängliche Wahnsinnswut auf Nostramo ist einer, sagen wir, freundlichen Gesinnung gewichen. Nun stellt sich die Frage, was zwischen den Auftragsabsagen und dem Angriff auf Arian passiert ist. Es kommt mir so vor, als ob sie zwischenzeitlich die Fronten gewechselt haben. Warum? Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Meinung über Arian zu ändern?»
Mangold dachte nach. Man konnte förmlich sehen, wie seine Gehirnwindungen auf Hochtouren arbeiteten.
«Dazu sage ich nichts mehr», antwortete er nach endlosen Sekunden.
«Womit Sie nur unsere Vermutungen bestätigen.»
«Und wenn schon. Sie sind doch auf der Suche nach Nostramos Mörder. Wenn Sie mich für seinen Freund halten, dann umso besser. Wars das?»
Ferrari erhob sich.
«Im Augenblick schon. Aber wir sehen uns wieder.»
«Man sieht sich immer zwei Mal im Leben.»
«Der Spruch könnte von Arian sein», feixte Nadine. «Waren Sie damals, als Ihnen Arian die alte Burckhardt vor der Nase wegschnappte, nicht rasend wütend?»
«Wieso wegschnappte? Die alte Dame war eine treue Kundin. Gott sei ihr gnädig.»
«Waren Sie nicht scharf auf das Erbe? Oder sehe ich das falsch?»
Mangold lief rot an. Nur mit grösster Mühe beherrschte er sich.
«Wer behauptet das?»
Die Frage war mehr ein gefährliches Zischen.
«In einer Beiz wartet sichs eben besser und nebenbei erfährt man dies und das. Ihre Handwerkskollegen rissen Witze über Sie. Ja, ja, der Mangold, der Erbschleicher. Ist voll in die Hose gegangen und so. Ist ja nicht gerade die feine Art. Einer lästerte grausam über Sie ab. Er meinte, Sie würden sich wie ein Aal winden, wären ein Fähnchen im Wind.»
«Urs! Urs Gasser! Ich werde ihm die Schnauze polieren.»
«Es kursiert sogar das Gerücht, dass Sie praktisch pleite sind. Bis zum letzten Franken bei der Bank verschuldet.»
«Woher … ich breche dem verdammten Arschloch das Genick!»
«Es ging noch weiter. Die Kollegen zweifeln an Ihrer Loyalität. Sie misstrauen Ihnen, weil Sie die Seiten gewechselt hätten. ‹Für hundert Franken ist der Josef zu allem bereit, wie eine billige Hure.›»
Mangold schlug mit der Faust auf den Tisch und fuhr beinahe gleichzeitig hoch. Er packte Nadine mit festem Griff an den Schultern.
«Ich will eine Antwort von dir! Wer sagt das? Verdammt noch mal, wer behauptet das von mir? Nun sag schon!»
Als Nadine weiterhin schwieg, begann Mangold sie kräftig durchzuschütteln. Das war der Moment, um einzuschreiten. Mit einem Ruck stiess Ferrari den überraschten Spengler weg, der rückwärts über einen Eimer fiel. Während Nadine ihre Kleidung in Ordnung brachte, rappelte sich Mangold langsam auf.
«Diese verfluchten Hungerleider! Was wissen die denn? Ja, verflucht noch mal, ich bin pleite. Habe zu hoch gepokert, voll auf die beiden Aufträge gesetzt. Dann vermasselt mir diese Sekte alles.»
«Das haben Sie aber anscheinend mit Arian Nostramo geklärt.»
«Soll ich Ihnen eine Geschichte erzählen?», schrie er Nadine an, die vorsichtshalber etwas zurückgewichen war. «Ja, es stimmt. Ich wollte diesen Nostramo verprügeln.»
«Dann hat unser Zeuge gelogen?»
«Nein. An einem Abend ist dieser Nostramo plötzlich hier in der Werkstatt aufgetaucht. Ich dachte, mich tritt ein Pferd. Ich griff nach einem der Rohre und bin auf ihn los.»
«Nicht gerade eine Heldentat!»
«Ich dachte doch nicht, dass dieses kleine Bürschchen allein kommt. Ich war überzeugt, wenn ich auf ihn zugehe, kommt die
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