Das Auge des Sehers (German Edition)
Gutes vollbringt.»
«Na ja, so ganz Ihrer Meinung bin ich nicht, Frau Schwander.»
«Dann sollten wir das ausdiskutieren, Frau Kupfer. Was werfen Sie uns vor?»
«Sie spielen mit den Menschen, Sie machen ihnen falsche Hoffnungen und ganz nebenbei kassieren Sie noch zünftig ab. Es gibt keine Hellseherei. Was Sie da betreiben, ist reine Scharlatanerie.»
«So wie Sie denken viele … irgendwie kann ich es sogar verstehen.»
«Sie stimmen mir zu?»
«Teilweise. All das, was um uns herum geschieht, kann ich nicht akzeptieren. Damit meine ich die Vermarktung von Arian. Es wird mir übel, wenn ich nur daran denke. Eines dürfen Sie nicht vergessen, Arian hat vielen Menschen geholfen. Wenn Ihnen der Begriff Medium suspekt ist, dann könnte man ihn auch als unkonventionellen Psychiater bezeichnen. Wie etwas genannt wird, ist unwichtig. Der Inhalt ist entscheidend. Und die Menschen glauben an seine Botschaft … an unsere Botschaft.»
«Wenn Sie den kommerziellen Teil so ablehnen, weshalb spielen Sie dann mit?»
«Aus einer grossartigen Idee und deren anfänglich einfachen Umsetzung wurde immer mehr. Arian schlug wie eine Bombe ein, der Erfolg war gigantisch. So sind wir gewachsen. Das Team wurde verstärkt, das Merchandising nahm zu. Arthur steckt da massgeblich dahinter. Und warum waren wir so erfolgreich, Frau Kupfer?»
«Weil Blender immer ziehen. Sekten sind stark im Kommen.»
«Arian war kein Blender. Er ging auf jeden Menschen individuell ein. Sie halten uns also für eine Sekte?»
«Das sind Sie mit Bestimmtheit.»
«Weil wir weisse Kleidung tragen und den Menschen über die Medien Ratschläge erteilen?»
«Sie machen den Leuten etwas vor und zocken sie ab. Kommt zu uns, vertraut uns eure Probleme an. Wir helfen euch, wir sagen euch die Zukunft voraus, sofern ihr uns euer Vermögen überschreibt.»
«Das verlangen wir nicht. Wir haben nie jemanden unter Druck gesetzt. Ist es die Anziehungskraft unserer Gemeinschaft, die Sie so stört?»
«Vor allem das Theater um euren Guru und wahrscheinlich bald um Sie.»
«Das Theater, wie Sie es nennen, ist leider eine lästige Begleiterscheinung des Erfolgs. Bleiben wir noch einen Moment beim Thema Sekte. Wie steht es denn beispielsweise um die katholische Kirche? Ist sie nach Ihrer Ansicht auch eine Sekte und der Papst somit ein Sektenführer.»
«Na ja …»
Nadine blickte verlegen zu Boden.
«Interessant. Die katholische Kirche ist Ihrer Meinung nach also eine glaubwürdige Institution, während wir eine Sekte sind. Dann möchte ich von Ihnen gerne den Unterschied wissen.»
«Ihr … ihr hält euch für die einzigen, für die wahren Verkünder einer Botschaft.»
«Ein schwaches Argument, Frau Kupfer. Tut das nicht jede Religion? Der Papst ist doch der Stellvertreter Gottes auf Erden. Hat Arian jemals behauptet, dass er von Gott auserkoren oder gar der einzige wahre Hellseher sei?»
«Das kann ich nicht beantworten.»
«Aber ich, Arian hat das nie getan. Darum geht es doch gar nicht. Ich befürchte fast, Sie geben sich allzu schnell mir Ihren Vorurteilen zufrieden, Frau Kupfer. Um den Dingen auf den Grund zu gehen, muss man hinter die Fassaden schauen.»
«Danke für die Belehrung. Nur, so weit will ich gar nicht gehen, denn mir ist Ihr Auftreten, Ihres und das Ihrer Gruppe ein Gräuel. So salbungsvoll, so erhaben, so pompös und so überheblich.»
«Isabelle Gutmann versteht ihr Handwerk. Sie inszeniert gern und den Leuten scheint es zu gefallen. Ich persönlich finde auch, weniger wäre mehr. Allein der Einstieg mit dem Auge ist schrecklich. Aber was solls, das Auge ist der meistverkaufte Artikel. Sei es als Glücksbringer im Auto, als Beschützer des Hauses, wie früher ein Hufeisen über dem Eingang, oder als als Amulett. Unser Auftreten erinnert mich manchmal an die amerikanischen Fernsehpfarrer. Wie gesagt, der Inhalt, die Botschaft ist entscheidend. Nur leider spielt heutzutage die Verpackung eine grosse Rolle.»
«Der Zweck heiligt die Mittel.»
«Sehen Sie sich doch die Kirchen an, Austritte noch und noch. Weshalb? Weil die Pfarrer nichts für ihr Image tun. Es sind alles graue Mäuse. Dabei verfügen sie über den grössten Trumpf der Welt: die Bibel! Aber was machen sie daraus? Nichts. Langweilig verkünden sie seit Jahr und Tag das Wort Gottes und niemand hört zu. Bei den Katholiken tut sich was. Der Papst als Botschafter des Glaubens reist durch die Welt und verkauft sein Produkt. Das nenn ich Werbung pur.»
«Schrecklich!»
«Das
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