Das Auge von Tibet
Hand ins Bild und hielt Mao den Ochsen zurück.
»Er hat gesagt, daß sein Kopf weh tut«, sagte Jowa. »Warum bist du zu Xu gegangen?« fragte er Shan stockend.
Mao der Ochse gab ein wütendes Knurren von sich, ließ jedoch die Hand sinken.
»Xu und Sui«, sagte Fat Mao, schaute von dem Kasachen zu Jowa und dann zu Shan. »In den Tagen vor Suis Tod sind sie gemeinsam unterwegs gewesen. Sie waren zusammen im Lager Volksruhm. Sui hatte keinen Wagen, als er starb. Er ist mit jemandem mitgefahren. Es muß Xu gewesen sein. Sie hat ihn umgebracht, um einen Vorwand zu erschaffen, uns alle auszulöschen.«
Shan setzte sich auf, lehnte sich gegen den Türrahmen der Toilette und zog die Knie vor die Brust. »Xu ermordet die Menschen nicht«, sagte er mit schwacher Stimme. »Sie erniedrigt sie. Sie sperrt sie ein. Sie zerbricht sie. Aber töten..« Er mußte gegen eine plötzliche Woge der Übelkeit ankämpfen.
»Das hat sie gar nicht nötig.«
»Ich dachte, der Friedhof im Lager Volksruhm wäre dir aufgefallen«, erklärte Fat Mao in eisigem Tonfall.
Shan wollte nicken, aber bereits der Versuch ließ den Schmerz in seinem Kopf explodieren. »Sie tötet die Leute nicht mit Schußwaffen«, räumte er ein. »Sui hingegen wurde von einem Rivalen aus dem Weg geräumt.« Obwohl er diesen Gedanken bis jetzt noch nicht einmal im stillen formuliert hatte, wußte er, daß die Vermutung zutraf.
Anscheinend hatte ihn niemand gehört. Mao der Ochse starrte wütend Jowa an, und Fat Maos Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her. Jowa taxierte die zwei Maos und wich ein Stück zurück.
Mao der Ochse drehte sich mit zufriedenem Grinsen um. »Du wirst es uns verraten, du wirst uns alles über dich und Xu verraten.« Doch als er einen Schritt vortrat, grub sich eine Stiefelspitze in seine Leistengegend, und ein Arm lag plötzlich um seine Kehle. Der große Kasache brach stöhnend zusammen, und eine Gestalt huschte an ihm vorbei. Fat Mao stand mit offenem Mund da und schien sich zu fragen, was soeben geschehen war.
Dann stellte die Gestalt sich schützend vor Shan und brüllte die Maos und Jowa an. »Das ist alles, was ihr könnt, nicht wahr? Gewalt. Kämpfe. Aber ihr wißt nie, gegen wen ihr eigentlich kämpfen sollt!« Jakli war aus der Hutfabrik zurückgekehrt. Ihr Zorn wirkte nahezu greifbar, und ihre Hände öffneten und schlossen sich fortwährend, als würde ein Tiger seine Krallen ausfahren. Die stämmige Frau tauchte auf und half Mao dem Ochsen kopfschüttelnd zurück in die Küche.
Jakli beugte sich über Shan, nahm dann eines der Handtücher, befeuchtete es unter dem Wasserhahn und wischte ihm die Stirn ab. »Ich hätte nicht weggehen sollen«, sagte sie reumütig und half ihm auf die Beine. »Die Fabrik war ohnehin geschlossen.«
Dann übernahm sie das Kommando. Sie ließ die Maos auf einer Seite des Küchentisches Platz nehmen, fand einen Mantel für Shan, wies ihn an, seine verschmutzte Kleidung auszuziehen, und schickte die stämmige Frau dann damit weg, um die Sachen zu reinigen.
Jowa brachte Shan erst eine Tasse Wasser und besorgte ihm dann einen Becher heißen Tee. »Ich wollte.«, setzte der purba . Jakli gegenüber zu einer Erklärung an, ließ den Satz jedoch unvollendet. Jakli starrte ihn wütend an, und er senkte den Kopf. »Wie können wir uns sicher sein?« fragte er gequält.
»Sicher?« gab sie lapidar zurück. »Du bist wegen Shan den ganzen Weg hergekommen und dir dennoch nicht sicher, was du tun sollst?«
»Nein«, sagte Shan. Er sah nun immer klarer. »Jowa ist wegen der Lamas hergekommen, nicht wegen mir. Was wir tun müssen, ist nirgendwo festgelegt. Er hat allen Grund, verwirrt zu sein. Ich bin selbst verwirrt.« Er zog den Stuhl neben sich unter dem Tisch hervor und forderte den Tibeter auf, Platz zu nehmen. »Aber nicht mehr so verwirrt wie zuvor.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Jakli.
»Ich mußte mit der Anklägerin sprechen, und ich muß herausfinden, wo sie bei all dem steht. Sie hat mir etwas erzählt, das mich vermuten läßt, daß Sui wegen Geld ermordet wurde, und zwar von einem Rivalen.«
»Bao ist nur ein einziger Leutnant zugeteilt«, sagte Fat Mao stirnrunzelnd. »Sui hatte keinen Rivalen.«
»Es ging nicht um eine Beförderung, sondern um eine Prämie.« Shan trank noch einen Schluck Tee und erklärte dann, was er von Xu erfahren hatte.
»Diese Schweinehunde«, murmelte Fat Mao, nachdem Shan geendet hatte. »Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig. Es geht
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