Das Baby vom Deich
"Haben Sie Lust mit mir Essen zu gehen? Da muss ich nichts kochen, wenn ich nach Hause komme."
"Kochen Sie selbst?"
"Je nachdem wie ich Lust habe und wie es spät ist, wenn ich nach Hause komme. Bisweilen esse ich nur etwas Kaltes. Hin und wieder habe ich eine Frau am Wochenende da, die kocht. Es ist unterschiedlich. Gerade wenn es möglich ist, das Wetter passt, bin ich am Wochenende generell nicht hier."
"Sie sind also viel unterwegs?"
"Es hält sich in Grenzen und wie gesagt, es ist wetterabhängig. Beruflich teilweise ja. Es gibt Zeiten, wo ich kaum zum Schlafen komme, folgend gibt es Zeiten, wo ich viel Freizeit habe, reiten und schwimmen kann."
"Was sagt Ihre Freundin zu so einem Leben?"
"Entweder sie nimmt es hin oder sie geht. Wo ist da ein Problem? Ich verändere mich gewiss nicht, egal wer sie wäre, nicht für eine Miss World oder eine Prinzessin."
"Ist das nicht egoistisch?"
"Mag Ihnen so vorkommen. Ich sehe das anders und ich kenne Frauen, die sich nie daran gestört haben. Nur weil ich mit jemand zusammen bin, werde ich garantiert zu keinem siamesischen Zwilling. Da wäre bei mir sofort das Thema beendet. Ich benötige meine Freiheit und selbstbe- wusste, selbstständige Frauen benötigen die ebenfalls. Es gibt eben sehr unterschiedliche Lebensgemeinschaften. Manche benötigen Freiräume, andere kleben dauernd zusammen. Wenn ich eine Freundin eine Woche nicht sehe, ist das erbauender, als wenn sie rund um die Uhr auftaucht und wie gesagt, gibt es genug Frauen, die das genauso sehen. Muss jeder für sich entscheiden. Setzen wir uns draußen hin."
Er wartete, bis sie saß, setzte sich ihr gegenüber hin.
"Moin Eike."
"Moin Helga. Du hast vollauf zu tun, wie ich sehe."
"Reichlich! Die Saison zieht sich dieses Jahr in die Länge. Vadding freut es." Sie reichte der Frau die Karte. "Wie immer?"
"Ja, heute nehme ich ein Bier, da ich nicht mehr arbeiten muss, hoffe ich."
"Wünsch ich dir. Hast du gehört, Carola und Dirk wollen heiraten?"
"Hat mir Doreen gestern erzählt. Wurde ja nach zehn Jahren Zeit. Dirk hat neulich versucht mich zu erreichen, aber ich war unterwegs und gestern hatte er Dienst. Irgendwie ändert sich das nie."
"Dein Schwager plant bei uns zu feiern, so wie ihr damals."
"Gute Entscheidung."
"So ich muss, sonst meckert Vadding."
Sie nahm noch die Bestellung von Serena Schiller auf, verschwand.
"Sie waren verheiratet?"
"Ja und damit Ende des Themas. Sind Sie stets so penetrant neugierig?", erwiderte er brüsk und da war er, der eiskalte Blick, den jeden davon abhielt, ihn zu reizen, Fragen zu stellen.
Eine Weile war eine merkwürdige Ruhe, wo er zu dem Schiff im Hafen starrte. Wie oft hatte er mit Iris gesessen? Da war seine Welt vollkommen gewesen. Er hatte alles gehabt, was er sich jemals gewünscht hatte: Einen Beruf, der ihm Spaß bereitete, seine Traumfrau und bald einen Sohn, auf den sie sich freuten. Er hatte naiverweise gedacht, das geht stets so weiter, bis sie beide alt wären. Wie im Märchen hatte es Iris einmal genannt: Sie leben glücklich und zufrieden, bis an ihr Ende. Das Erwachen aus dieser Traumwelt war umso schmerzlicher gewesen. Es waren nicht nur seine Frau und sein Sohn verschwunden, sondern ein Stück von ihm mit. Es waren zahlreiche Frauen gefolgt, aber keine hat ihm etwas bedeutet. Sie waren beliebig austauschbar. Manche hatte er etwas länger gehabt, weil sie gut im Bett waren, bei anderen war es eine einmalige Sache gewesen. Am Anfang hatte er noch gedacht, er würde den Verlust irgendwann verschmerzen, aber das war ein Trugschluss gewesen. Seine Mutter hatte als ihre Mutter gestorben war gesagt, Vadding lebt nicht mehr lange. So war es gewesen fünf Wochen später hatte man ihn zu Grabe getragen. Seine Oma hatte ein Stück von ihm mitgenommen und das hatte zu seinem Tod geführt.
"Sie wirken so nachdenklich?"
Er schaute sie an. "Entschuldigung."
"Ich wollte Sie nicht verletzen. Eine Scheidung ist nicht schön, aber man muss es eben hinnehmen. Wenn man nicht zusammenpasst, sollte man dem ehemaligen Partner wenigstens die Chance geben, sich anderweitig zu orientieren. Die Männer sind meistens erstaunt, verletzt, wenn sie sich trennt."
"Wenn Sie meinen."
"Nehmen Sie es nicht so schwer, es gibt sicher irgendwann Ersatz. Wenigstens sind keine Kinder davon betroffen."
"Erstaunlich, was Sie wissen", erwiderte er nur lakonisch.
"Ich komme mit zahllosen Menschen zusammen, da bekommt man einiges mit. Psychologie ist in meinem Job immens gefragt und zwangsläufig eignet man
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