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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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messerscharfe Kerbe in den Bergstock des Hindukusch zu treiben für die Überreste seines Konvois. Wie Moses, dachte Rebecca. Wie Moses am Roten Meer.
    »Wenn es sein muss, auch nach Kabul oder meinetwegen bis nach Hause«, fluchte Merthes. »Womit auch immer sie rechnen: jedenfalls nicht, dass wir uns in diese Richtung bewegen.«

    »Weil es Wahnsinn ist«, bemerkte Alyssa zustimmend, hielt unvermittelt inne. Als sie weitersprach, hatte ihre Stimme einen um eine Winzigkeit veränderten Ton angenommen. »Weil dieser Weg mitten durch das Gebiet führt, das sie kontrollieren.«
    »Genau das.« Merthes ließ sie nicht aus den Augen. »Genau da, wo Sie hinwollten, Frau Feldwebel.«
    Alyssa antwortete nicht, und auch Rebecca verkniff sich jedes Wort. Sie hatte das Funkeln in Alyssas Augen gesehen, bevor ihre Schwester sich abgewandt hatte und jetzt ihre Medizintasche auspackte, um Rebeccas Wunde zu versorgen. Rebecca hatte sie nicht darum gebeten, doch sie ließ die Prozedur über sich ergehen, froh über die Gelegenheit, einen Moment zu Atem zu kommen.
    Der Stuhl des Pharao: Aus ihrer Deckung heraus war nur ein Teil des langgestreckten Bergsattels zu erkennen, doch auf jeden Fall war klar, dass sie über die Felsformation hinwegmussten, wenn sie den Weg nach Süden und Osten einschlugen, Richtung Baghran oder in das von den Italienern besetzte Kaff, dessen Namen Rebecca schon wieder vergessen hatte.
    Sie mussten exakt jenes Gebiet passieren, an dessen Rand die Aufständischen vor einem halben Jahr der ISAF-Patrouille aufgelauert hatten.
    Eine Felszeichnung, dachte Rebecca. Eine Inschrift, die verschwommen vor irgendetwas warnte, das in der Tiefe der Berge lauerte. Und der Name des Berges selbst, mehrfach hin und her übersetzt, der möglicherweise zur aktuellen Version der babylonischen Überlieferung passte.
    Das war nicht viel, aber es war alles, was sie in der Hand hatten.
    In der Ferne war noch immer das Donnern und Röhren der verbliebenen Konvoifahrzeuge zu hören. Es war leiser
geworden, und Rebecca hatte den Eindruck, dass auch der Beschuss nachließ. Vielleicht schaffen sie es tatsächlich, dachte sie. Vielleicht hatten die Männer aus den Bergen begriffen, dass ihnen von diesem Teil des Zuges keine Gefahr mehr drohte, sondern vielmehr von der anderen Hälfte. Dass sie mit ihrem Angriff das exakte Gegenteil dessen erreichten, was sie beabsichtigt hatten: Der ISAF-Trupp war näher an ihrem geheimen Ort als je zuvor - und die Querschläger, die über ihren Köpfen von den Felsen abprallten, bewiesen, dass die Stammeskrieger ihm im Moment nicht beikommen konnten.
    »Sitzt das zu stramm?«, fragte Alyssa. Turbanartig hatte sie ihrer Schwester einen Verband um den Schädel geschlungen.
    Rebecca schüttelte den Kopf. »Passt jedenfalls in die Gegend«, murmelte sie. »Danke«, fügte sie hinzu.
    Alyssa hob nur knapp die Schultern.
    »Dann sind Sie fertig?«, erkundigte der Oberst sich unfreundlich. Die Frage war ebenso an seine Soldaten gerichtet, die dabei waren, ihre Blessuren zu versorgen.
    »Gut«, murmelte er, ließ den Blick über seine Männer schweifen. Rebecca hatte unauffällig gezählt. Zweiundzwanzig, wobei sich die Hälfte nur noch mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Dazu der Oberst und die beiden Frauen. Fünfundzwanzig insgesamt also.
    »Machen wir uns auf den Weg«, brummte Merthes und stülpte sich seinen Helm über.
    Vorsichtig bewegte er sich voran, den Hang empor, prüfte vor jedem Schritt den Untergrund. Der Boden war mit Geröll übersät, doch es schien sich um Geröll zu handeln, das schon längere Zeit in dieser Position lag. Farbloses Dorngestrüpp krallte sich in die Spalten und Zwischenräume. Als Rebecca dem Oberst folgte, sah sie, wie in einer blitzartigen
Bewegung eine winzige Kreatur unter seinem Stiefel davonhuschte. Sie hatte nicht erkennen können, was für ein Tier es gewesen war.
    »Keine Spinne«, murmelte Alyssa in ihrem Rücken. »Eine Eidechse.«
    Das Haus der Spinne , dachte Rebecca. Das Tal der Gerüsteten.
    Verbissen kletterten sie weiter. Ein vorspringender Ausläufer des Bergmassivs hatte sie dem Zugriff ihrer Gegner nun vollständig entzogen, doch Rebecca gab sich nicht der Illusion hin, dass sie damit in Sicherheit waren. Die Stammeskrieger kannten das Gelände, und unter Garantie gab es Dutzende von Möglichkeiten, wie sie ihnen den Weg verlegen konnten.
    Nach einer Viertelstunde erreichte der Zug einen Felsvorsprung, an dem es nahezu senkrecht hinaufging. Merthes

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