Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
Caroline – hatte das Gefühl, eine Panikattacke zu erleiden, wenn er noch ein weiteres Wort sagte. »Nein«, sagte sie.
»Nein?«
»Ich liebe unsere Wohnung«, sagte sie. »Mir gefällt die Gegend hier.«
»Wir sollten irgendwo hinziehen, wo es gute Schulen gibt.«
»Es gibt Privatschulen«, entgegnete Caroline. »Du hast doch selbst gesagt, dass das Geld ausreichen wird. Ich würde mich am Stadtrand nicht wohlfühlen.«
»Das ist nur die Angst, die aus dir spricht. Ich weiß, dass du keine Veränderungen magst, aber du wirst eine gute Mutter sein, egal wo wir wohnen.«
Nein, das würde sie nicht.
»Du bist einfach vollkommen. Ruhig und liebevoll. Klug. Du stehst mit beiden Füßen im Leben. Das habe ich schon immer an dir bewundert.« Er streichelte ihren Arm.
»Ich stehe mit beiden Füßen im Leben? Gott, wie romantisch.«
»Und du bist lustig. Hatte ich das schon erwähnt?«
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Also, als lustig hat mich noch nie jemand bezeichnet.«
»Na ja, ich wollte sagen, dass ich lustig bin, und dass es klug von dir war, mich zu heiraten.«
Es war tatsächlich eine kluge Entscheidung gewesen, ihn zu heiraten. Er hatte Unbeschwertheit in ihr Leben gebracht, er verwöhnte sie, er machte einen besseren Menschen aus ihr – er ermutigte sie dazu, mehr aus ihrem Leben zu machen. Aber genau das wollte sie nicht. Ihr gefiel das Leben mit Peter, wie es war. Ein Kind würde alles zerstören.
TEIL 2 – DANACH
4. Kapitel – Tia
Wenn du dein Kind weggibst, könntest du genauso gut deine Beine weggeben – beides macht dich zum Krüppel.«
Tia dachte an die Worte ihrer Mutter, während sie sich in die vor ihr auf dem Tisch ausgebreiteten Fotos vertiefte und das Gesicht ihrer Tochter betrachtete. Damals waren ihr die Ermahnungen ihrer Mutter grausam vorgekommen, doch jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nur verzweifelt versucht hatte, Tia zur Räson zu bringen, ehe sie starb.
Tia ließ die Sonntagszeitung achtlos auf dem Tisch liegen. Jedes Jahr im März, kurz vor dem Geburtstag ihrer Tochter, schickte Caroline Fitzgerald ihr eine freundliche Karte und fünf Fotos.
Tia betrachtete die fünfjährige Honor: Ein Bild zeigte sie im Schneidersitz auf einer rosafarbenen Daunendecke, auf einem trug sie ein rotes Samtkleidchen, auf einem anderen saß sie mit ihren kräftigen, nackten Beinen auf einer Schaukel. Ein weiteres Foto zeigte sie mit einer Puppe im Arm, und auf einem anderen buddelte sie an irgendeinem Strand ein Loch in den Sand. Die Fotos lagen auf dem Tisch, seit sie am Vortag mit der Post gekommen waren, und Tia nahm sie sich immer wieder vor, als gelte es, sich jedes Detail einzuprägen. Immer im März, wenn Honors Geburtstag, die jährlichen Fotos und der Todestag ihrer Mutter näher rückten, überkam sie eine überwältigende Sehnsucht, ihre Tochter zu sehen.
Tia hatte keine überzogenen Vorstellungen vom Mutterdasein. Aber sie sehnte sich nach einfachen, alltäglichen Dingen: ihrer Tochter ein Glas Milch einzuschenken oder ihr das Haar zu flechten. Sie konnte nicht glauben, dass Honor nicht irgendwo ganz tief in ihrem Innern spürte, dass es sie gab. Tia stellte sich vor, dass ihre Gefühle irgendwie von ihr bis zu ihrer Tochter ausströmten, wenn sie voller Liebe an sie dachte.
Sie kaute auf ihrer Unterlippe, während sie die Nahaufnahme von Honor mit der Puppe betrachtete und nach Ähnlichkeiten Ausschau hielt, mit ihr oder mit Nathan. Honors dichtes, glänzendes Haar erinnerte Tia auf jeden Fall an Nathan. Und sie war kräftig gebaut, während Tia in dem Alter eher zierlich gewesen war. Nur der intensive Blick der Kleinen ließ eine Ähnlichkeit mit Tia erahnen.
Sie hielt sich das Foto dichter vor die Augen, konnte Honors Gesichtsausdruck jedoch nicht deuten.
Manchmal wünschte sie, die Sehnsucht nach Honor würde einfach vergehen, aber meistens genoss sie den Schmerz. Die Sehnsucht stellte die einzige Verbindung zu ihrer Tochter dar, und die konnte sie doch nicht wegwünschen.
Tia goss einen winzigen Schluck Whiskey in ihren Kaffee, und dann, als Hommage an ihren Fehler und an die Zeit mit Nathan, schmierte sie sich eine großzügige Schicht Rahmkäse mit Lachs auf einen Bagel. Nathan hatte die irisch-italienischstämmige Tia mit Räucherlachs bekannt gemacht. Er hatte behauptet, die Bagels in Boston seien im Vergleich zu denen in New York ein Witz, aber Tia kannte nur diese eine Sorte.
Nathan hatte sie auch mit unerwiderter Liebe bekannt gemacht. Es gab Männer, die
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