Das Band der Wünsche: Roman (German Edition)
irgendwann ein Auto zu besitzen.
Mit dem Staubsauger und ein paar Plastiktüten bewaffnet, ging Tia zurück in den Flur. Sie stopfte alles, was sie aussortiert hatte, in die Tüten, saugte den alten Orientteppich und brachte die vollen Tüten nach draußen zu den Mülltonnen.
Gott, in was für einem Chaos war sie nur versunken. Einfach beschämend. Obwohl sie seit ihrer Kündigung Zeit im Überfluss hatte, hatte sie kaum einmal einen Besen oder einen Putzlappen angefasst. Vorher hatte sie jeden Morgen vor der Arbeit die Wohnung aufgeräumt und jedes Wochenende einen gründlichen Hausputz gemacht. »Für Schmutz gibt es keine Entschuldigung«, hatte ihre Mutter jedes Mal gesagt, wenn sie Tia ein Staubtuch in die Hand gedrückt hatte. Der Spruch war aufgekommen, als sie in der Sozialwohnung im D-Street-Areal gewohnt hatten. Für Leute, die lieber eine Bierflasche als eine Flasche Putzmittel in die Hand nahmen, hatte Tias Mutter nur Verachtung übrig gehabt.
Tia konnte regelrecht hören, was ihre Mutter zum derzeitigen Zustand ihrer Wohnung sagen würde.
»Keine Entschuldigung, Tia. Es gibt keine Entschuldigung dafür, in so einem Dreck zu leben.«
Und warum kam sie ausgerechnet jetzt zur Vernunft? Sie versuchte, sich einzureden, dass ihre plötzliche Putzwut nichts mit der Hoffnung zu tun hatte, Nathan könnte sie demnächst besuchen.
Andererseits war es albern, sich selbst zu belügen. Es stand hier einfach ein gründlicher Hausputz an, so oder so.
Wie hielt Bobby das bloß bei ihr aus, ohne jedes Mal einen Brechreiz zu kriegen? Sie hätte schreien können, wenn sie daran dachte, wie tolerant und mitfühlend er war. Wieso akzeptierte er den Dreck und die Berge schmutzigen Geschirrs, anstatt ihr zu sagen: »Hast du schon mal überlegt, den Staubsauger anzuwerfen?«
Was würde Nathan sagen? »Was ist los mit dir, Tia? Glaubst du, dass deine Wohnung deinen inneren Zustand widerspiegelt?«
Irgendetwas in der Art würde garantiert von Nathan kommen, aber sie wollte ihm zeigen, dass ihr innerer Zustand vollkommen in Ordnung war.
Nicht dass sie mit einem Besuch von ihm rechnete.
Natürlich nicht.
Aber man konnte ja nie wissen.
»Wow.« Bobby holte tief Luft. Tia hatte alle Fenster aufgerissen, um die milde Frühlingsluft hereinzulassen.
»Wow?«
»Wow, wie alles blitzt und blinkt! So was wird man doch wohl sagen dürfen. Brauchst gar nicht so empfindlich zu sein.« Er zog sie an sich. »Und du siehst großartig aus. Wie immer.«
Abgesehen davon, dass sie die ganze Wohnung gewienert und alles hübsch arrangiert hatte (sie hatte ihre Kristallglassammlung so aufgestellt, dass das Sonnenlicht sich darin brach, ihre hübsches ten gläsernen Briefbeschwerer auf diversen Stapeln loser Blätter platziert und ihre Milchglasvasen, die Nathan wahrscheinlich kitschig fand, vorsichtshalber verschwinden lassen) – abgesehen davon hatte sie eigentlich nur geduscht. Und anstatt sich mit Schminken aufzuhalten, hatte sie ihre Bücherregale durchforstet. Ihre billigen Taschenbuchkrimis waren in einem Karton unters Bett gewandert, und nur die Bücher, die Tia als intelligent und belesen erscheinen ließen und Nathan interessieren würden – zum Beispiel Romane von afrikanischen oder norwegischen Autoren –, waren an ihrem Platz geblieben.
»Die Wohnung sieht toll aus, nicht ich«, sagte sie zu Bobby.
»Süße, du brauchst dich nicht zu schminken, um toll auszusehen. Du wirkst energiegeladen, und das steht dir ausgezeichnet! Schau mal, ich hab dir was mitgebracht.« Bobby ging in den Flur und kam mit einer rosafarbenen Hyazinthe zurück. »Die hab ich unterwegs gesehen, und ich weiß ja, wie sehr du die magst.«
Tia nahm ihm den Blumentopf ab und steckte ihre Nase in die duftende Blüte. Hyazinthen und Freesien waren ihre Lieblingsblumen. Ein weinroter Übertopf brachte die rosafarbene Blüte besonders schön zur Geltung.
»Du magst doch Hyazinthen, oder?« Bobby schloss die Tür und verriegelte sie. Fürsorglich wie immer.
»Die werden oft geklaut«, sagte Tia.
»Geklaut?«
»Ja, aus Vorgärten«, sagte Tia. »Die sind total beliebt. Und teuer.«
Tia stellte den Topf auf den Küchentisch und drehte ihn so lange hin und her, bis sie zufrieden war. Mit dem Daumen fühlte sie nach, ob die Erde feucht genug war. Sie schaute Bobby an. »Ich liebe Hyazinthen. Wie nett, dass du daran gedacht hast.«
Tia bewunderte ihre glänzende weiße Spüle, während sie sich die Erde von den Händen wusch. Sie hatte das Porzellan
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