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Das Beben

Titel: Das Beben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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spiele dann König, was er gegenüber den eigenen Leuten wohl nicht mehr könne. »Er ist quasi pleite. Es gibt kein bares Geld im Haus.« Wenn jemand »seine Masche« noch nicht kenne – was meinte sie mit »Masche«? – nun, dieses Fürstengetue, das jeder Realität entbehre, der Mann glaube offenbar wirklich, man könne die Geschichte zurückdrehen – und wenn er für seine Ansichten, deren die Familie schon seit langem überdrüssig sei, unverbrauchtes Publikum finde, sei er, mit seinen beschränkten Mitteln, ein williger Gastgeber – »Sie scheinen auf seinen Ton wohl abzufahren«, sagte sie sehr ernst und konzentriert, weil sie auf ihrer schwarzen Wand an eine heikle Stelle geraten war, die ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. Zum Sprechen mußte sie nicht nachdenken, das lief von allein.
    »König spielen und seine Sachen derart verkommen lassen«, murmelte sie verächtlich vor sich hin. »Ich sollte eigentlich die besten Stücke einfach ablösen und auf eigene Rechnung verkaufen, es würde kein Mensch merken.« Sie wußte, wovon sie sprach, denn sowohl ihr italienischer Lehrmeister, der bei unübersichtlichen Projekten, Sicherung von Ausgrabungen und ähnlichem, durchaus so verfahren war, wie auch sie selbst und ein ihr verschworener Kollege beschritten diesen Weg gelegentlich, mit dem besten Gewissen – »Wenn die Leute sich nicht darum kümmern, was sie besitzen, verdienen sie es nicht anders.« Besonders kränkte sie, daß sie nie wußte, ob der König sie beachte – »Denn bei diesen indischen Herren kann man sich da täuschen. Sie tun, als sähen sie durch einen hindurch, und versuchen plötzlich, einen zu vergewaltigen.« Der König sei wohl eher nicht dieser Typ, der interessiere sich, wenn sie das richtig sehe, wenig für Frauen, die eigene sei ihm davongelaufen – »Ach, das wissen Sie nicht? Aus einer wirklich reichen Familie, die Tochter des Maharadja von Chamnaghar, diese Leute hatten, bis Indira Ghandi ihnen die Apanagen strich, bei Hermès in Paris einen eigenen Sattlermeister, der nur für sie gearbeitet hat, Zaumzeug für die Poloponys. Sanchor war zwar vornehm, aber immer bettelarm. Sie hat sich als Nonne einem Swami angeschlossen, so macht man das hier. Sie hat sich auf dem Gelände eines Ashrams ein großes Haus gebaut und lebt dort jetzt mit ihrer wahrscheinlich immer schöner werdenden Seele.«
    Diese Nachricht traf mich. Es mußte den König schmerzen, derart von seiner Frau getrennt zu sein, vielleicht nicht einmal um des menschlichen Verlustes willen, als einfach, weil er Verletzungen des Institutionellen gewiß besonders empfindlich gegenüber stand. Die Frau blieb in ihrer Königinnenrolle ohnehin meist unsichtbar, aber der Kronprinz war mehr als ein Sohn, er war der König der Zukunft. So mußte Seine Hoheit alles, das eigene Königtum und das gesamte Haus von Sanchor in Vergangenheit und Zukunft ganz allein darstellen.
    »Nick wollte hier natürlich gern seine Münzen loswerden. Er hat dem König vorgeschlagen, ihm im Austausch die Miniaturen aus dem Thronsaal im Alten Fort zu überlassen – Bescheidenheit ziert ihn nicht unbedingt. Der Maharao wäre mit der Zeit vielleicht sogar darauf eingegangen, wenn Nicks Frau sich hier nicht so fürchterlich aufgeführt hätte.« Sie entwarf das Porträt einer präraffaelitischen Seelilie, mit brandrotem Haar und weißen Nixengliedern, Rowena hieß die Dame, frostig und unnahbar trat sie auf und offenbarte jedermann nach kurzem ihre kalte, ruppige Lüsternheit. Prinz Gopalakrishnan geriet förmlich aus dem Häuschen. Daß es eine solche Frau gab, hatte er sich nicht vorstellen können. Sie griff ihn sich schon im großen Salon, vor den weit aufgerissenen Augen seiner stummen Frau. In wenigen Tagen saugte sie ihn förmlich aus und beschwerte sich noch darüber. Von Kamasutra und verfeinerter Liebeskunst habe man in diesem Wüstenwinkel offenbar noch nie gehört, der Herr sei doch wahrlich zu alt, um sich wie ein Kaninchenbock zu betragen. In den Weiten des Hauses, dessen Korridore und Säle und Doppeltüren eigentlich jedes Geräusch schluckten, war der Lärm, den Rowena machte, weithin zu vernehmen. Es wunderte mich aber nicht, daß Gopalakrishnan Singh einer solchen Chance erlaubt hatte, ihn zu ergreifen, wie man hier wohl formulieren darf. Wenn er sich seine Hose hochzog, die wegen des gewölbten Bauches leicht rutschte, ergriff er den Stoff stets hinten über dem Gesäß, das war die ingenieursmäßig effizienteste Art, sich die

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