Das befreite Wort
Moment der Rede beseitigte und eine Begegnung »auf Augenhöhe« ermöglichte. Der berühmte Satz aus seiner Antrittsrede bringt dies auf den Punkt: »Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern, was Du für Dein Land tun kannst.« In Kennedys Fußstapfen getreten ist schließlich auch Barack Obama mit seinem »Yes, we can« – ein »we«, das dem Schulterschluss Heinrichs V. in Shakespeares Drama sehr ähnlich ist.
Texte und/oder Videos der Reden im Blog zum Buch:
http://www.nicolai-verlag.de/das-befreite-wort-blog/?p=195
Lehrreich ist in diesem Zusammenhang auch nach wie vor die vom katholischen Bischof Graf von Galen am 20. Juli 1941 in seiner berühmten Predigt zitierte Anekdote über den »preußischen Justizminister der alten Zeit«, an den einst sein König Friedrich der Große das Ansinnen stellte, er solle sein gesetzmäßig gefälltes Gerichtsurteil nach dem Wunsche des Monarchen umstoßen und abändern. Dieser Edelmann, ein Herr von Münchhausen, gab darauf seinem König die klare und klärende Antwort: »Mein Kopf steht eurer Majestät zur Verfügung, aber nicht mein Gewissen!«
Auch die Predigt finden Sie im Blog zum Buch:
http://www.nicolai-verlag.de/das-befreite-wort-blog/?p=180
Diese unumstößliche Tatsache wird von modernen Top-Führungskräften mitunter vergessen. In ihrem Streben nach einem »committment« möglichst aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Teammitglieder für die gemeinsame Sache schießen sie wie schon Friedrich der Große nicht selten übers Ziel hinaus und fordern – mehr oder weniger verhüllt – nicht nur »das Leben« ihrer Mannschaft, sondern gleich auch noch ihr »Gewissen«. Nicht nur weit über das Normalmaß hinausgehende Arbeitszeiten, Abstriche bei den Urlaubszeiten, uneingeschränkte Erreichbarkeit auch im Privatleben, sondern auch ein ganz bestimmter »Mind-Set«, eine »innere Einstellung«, ein genau definiertes Wertesystem inklusive daraus abzuleitender Verhaltensnormen prägen bereits weitgehend die Realität beispielsweise von Wirtschaftsunternehmen. Die mittlerweile in fast allen großen Unternehmen und Organisationen eingeführten »Codes of Conducts«, »Kultur-Fahrpläne«, »Führungsgrundsätze« oder »Leitbilder« legen davon ein untrügliches Zeugnis ab.
Und genauso wird natürlich auch geredet – auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen von der Führungskräftetagung bis zur Weihnachtsfeier. Vorstandsvorsitzende und Personalchefs, aber auch die stets um Modernität bemühten und deshalb gern auf die bewunderte »freie Wirtschaft« schauenden Akteure auf der Leitungsebene öffentlicher Verwaltungen, die Exponenten des Kulturbetriebes sowie des Sport- und Freizeitbereichs erheben immer lauter und nachdrücklicher Ansprüche auf den »ganzen Menschen«.
Das kann eigentlich nicht gut gehen. 27
› Hinweis
Aber nur ganz selten formiert sich gegen diese Art des Indoktrinationsversuchs offener Widerstand. Die klassische Reaktion des betroffenen Mitarbeiters ist vielmehr: scheinbare, meist sogar gut gespielte Kooperation nach außen, Vorbehalt und Widerstand nach innen. In einer Art Schnäppchenjäger-Mentalität fragt sich der Einzelne: »Was nutzt es mir?« und spielt das diktierte Spiel genau so lange mit, wie die Antwort auf diese Frage für ihn persönlich positiv ausfällt, das heißt: so lange die Karriere weiterläuft, die Bezahlung gut ist und tendenziell noch besser zu werden verspricht.
Auch wenn die Chefs dieses Mitarbeiters es nicht wahrhaben wollen: Je mehr sie auf diese Weise sein »committment« für die gemeinsame Sache fordern, desto materiell-egoistischer werden die Leistungsmotive des Einzelnen – und umso sicherer wird er der Organisation von der Fahne gehen, sobald sich aus seiner Sicht günstigere Bedingungen an anderem Ort bieten. Die Karteikästen der Headhunter sind gut gefüllt mit den Namen solcher Mitarbeiter.
Und auch deshalb wohl hat sich das Bonussystem in den letzten Jahren immer weiter ausgebreitet: Innerer Widerstand, permanente »Fluchtbereitschaft« zur nächsten Job-Hopping-Basis und die Anwerbung immer neuer Mitspieler für dieses Spiel haben einen hohen Preis, mit dem sich die Beteiligten in besonderer Weise belohnt sehen wollen. Es ist allerdings ein Preis, der wohl nur über die Abschöpfung immer höherer Gewinne zu finanzieren ist.
Wie nun? Waren es denn nicht genau die »Leitbilder« und »ethischen Grundsätze«, war und ist es denn nicht die gesamte innerhalb und außerhalb
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