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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Zweig
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gefrorener, junger Rehbock, den er selbst geschossen zu haben behauptete. »Sie dürfen sich nicht wundern, verehrter Herr Koldewey, Sie und Ihre lieben Angehörigen, wenn ich fürs erste weiterhin unsichtbar bleibe. Es könnte sein, ich gehe nach Ploeschti und Konstanza, um für meine vergrößerten ›Äuglein‹ bessere Bedingungen zu erwirken; mein Petroleumladen steht in Blüte.« Und gleichzeitig las Annette, daß er sich mit einem Fräulein Blüthe, diese mit »th«, verlobt habe und zu Ostern schon heiraten werde. »Gar nicht schlecht«, sagte sie und hob die beiden Briefe, zusamt dem einen Kuvert auf, in welchem sie eingetroffen waren. »Den Übergang von 37 zu 38 werden wir im Zeichen des Rehs verbringen, gespickt und gebraten, mit saurer Sahne und Cumberlandsauce, warm und kalt. Und Käte Neumeier wird dazu eingeladen, und sie darf auch ihren Neffen mitbringen, wenn der will.«
    Wer aber noch während der Feiertage zu Besuch kam, das war Oberstleutnant Lintze. Er hatte sich zu bedanken für das bezaubernde Weihnachtsgeschenk, zu dem Herr Koldewey seiner Frau verholfen hatte. Die Geschichte der Kriegskunst hatte er sich schon lange gewünscht, aber da er sich zu seinem Geburtstag erst den großen Andréschen Handatlas angeschafft, an welchem er ziemlich lange abzuzahlen hatte, war der Gelegenheitskauf der vier Delbrück-Bände ein Geschenk des Himmels. Solch eine Lektüre brachte einen übrigens auf andere Gedanken, weg von der Gegenwart mit ihren Schwierigkeiten und sonderbaren Erscheinungen. Herr Koldewey musterte seinen Besuch genauer und fand, der Oberstleutnant sah nicht gut aus. Sein Gesicht stellte sich zerfurchter dar als je, und seine Augenbrauen zogen sich mitten im Gespräch grundlos zusammen und entrunzelten sich wieder, angespannt, als gebe sich der Herr Oberstleutnant Mühe, unbefangen zu erscheinen. Auch rauchte er auffallend viele, nach der ersten Hälfte ausgedrückte, dicke Zigaretten. Besonders Käte Neumeier, die an jenem Nachmittag des zweiten Weihnachtsfeiertages mit Annette Tee trank – es war zufälligerweise Sonntag, und sie kam eigentlich, um sich an Herrn Koldewey in guten Streitgesprächen zu reiben –, besonders diese scharfsichtige, gute Bekannte wunderte sich über Herrn Lintzes nervösen Zustand. »Überarbeitung«, achselzuckte der Oberstleutnant. Die Einschmelzung von Husaren und Infanterie zu einer Panzerdivision brachte viel Ärger mit sich, daran war nicht zu tippen. Außerdem aber, hier durfte er ja offen sein, sahen die reichswehrtreuen Kreise des Heeres den Einflüssen nicht gerade glücklich zu, die sich hinter den Kulissen geltend machten oder zu machen schienen. Alles gab sich unschuldig, unverantwortlich, aalglatt, aber ob nicht Gefährliches dabei im Spiel mitwirkte – hier durfte er ja offen sein, wiederholte er –, das wußte niemand. Wer diese vermaledeite Elbhochbrücke dem Führer eingeredet hatte – plötzlich wollte es niemand gewesen sein. Die Marineleitung beteuerte, ihr habe es ferngelegen, die Unterelbe für Flugzeuge auffälliger zu gestalten und das Gelände, das man für U-Bootbau und unterirdische Ölanlagen so harmlos als möglich brauchte, um und umzubuddeln und mit Betonsockeln und Senkkästen zu versauen.Jener Besuch des Führers und seine Rede vor den Arbeitern hatte die Klarheit in diesem Punkte nicht erhöht. General von Fritsch wurde unter Brüdern der Satz nachgesagt: Gott behüte unser Volk vor einem Künstler an der Spitze der Wehrmacht! Und da sagte jeder wahre Soldat ja wohl nur Amen.
    Heinrich Koldewey und Käte Neumeier wechselten einen Blick, so unklar ihnen der ganze Sachverhalt auch noch war: hatten sie nicht die Pflicht, diesen Offizier hier ins Vertrauen zu ziehen? Schien ein solcher Schritt nicht zu verfrüht, würde Herr Lintze die Angelegenheit auch nur verstehen? Jedenfalls, meinte Herr Koldewey vorsichtig, hatte in allen schwierigen Zeiten an der Spitze des Heeres ein General zu stehen, der ein guter Soldat war und nichts darüber. Schon General Ludendorff, wenn man einem Landwehrmajor diese Bemerkung gestattete, einem Landwehronkel der Etappe, schon dieser geniale Stratege hatte sich vielzusehr um Politik gekümmert, als er endlich ganz oben hinaus gelangt war. General Hoffmann, den Foch und die Russen seither für den fähigsten deutschen Militär erklärt hatten, schon er hatte den Meister des Weltkriegs schwerer Fehler bei der Anlage seiner Offensiven bezichtigt. Die hätten, schrieb er, das deutsche Volk um die

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