Das Beil von Wandsbek
einander fernrückten, was das Leben so mit sich brachte. »Hätt ich Kinder, Else«, dabei lächelte sie schon, »keinem anderen als dir würd ich sie hinterlassen. Und wenn ich mit Tod abgeh’,« – »Mach man tau, lütt Deern«, sagte die Angeredete ablehnend – »hinterlass’ ich dir alles, was übrigbleibt.« – »Na, sehr schön«, sagte der Schwager und machte einen Witz. »Laß es man nicht zu wenig sein, Stineken, mit Kleinigkeiten geben wir uns nicht ab«.
Ha, aber eine Anzahl Kameraden war wieder da, auf Osterurlaub glücklich heimgekehrt. Was die erzählten! Bei Lehmkes war wieder Leben in der Bude, das durfte man sagen! Was es in Wien für Theater gegeben, in Linz, in Graz. Wie sich die Parteigenossen für die lange Unterdrückung rächten, Jagd auf Flüchtlinge machten, Wohnungen besuchten, dem frechen Kardinal Innitzer die Leviten lasen. Jeder hatte ein bißchen Schmuck mitgebracht, konnte kuriose Dinge herumzeigen, Ringe und Armbanduhren, Juden hatten sich dutzendweise umgebracht, andere waren in die Donau gefallen, viele hatten Pillen geschluckt, von denen man nicht mehr aufwachte. Natürlich blieb noch sehr viel zu tun. Die Arbeiterbande mußte in Schach gehalten, bald da, bald dort ein neues Konzentrationslager eingerichtet, bewacht und verwaltet werden. Die österreichischen PGs reichten da nicht her. Wie die Frauen den Führer als Befreier begrüßten, als der endlich in seiner Heimat einrückte und seine Tanks durch die Straßen donnerten, die Flugzeuge über den Dächern brüllten! Die Natur war dort schon viel weiter als hier oben, so viel Veilchen und Fliedersah man in Hamburg kaum um diese Zeit. Und die Kinder brachten sie, die Hände voll kleiner Sträußchen, und ließen sich füttern und auf die Knie nehmen. Ja, es war viel Elend in Österreich abzustellen – und dabei solch ein altes Land. Und gar nicht so klein war es, wie man hier oben immer gedacht und getan. Das sogenannte Vorarlberg reichte bis zur Schweizergrenze, und die Steiermark ging nach Jugoslawien über, weil man den Schlawinern so viel schönes deutsches Land überantwortet hatte – ausgeliefert im Frieden von Versailles, der bei den Österreichern aber Trianon hieß. Und was man alles den Ungarn zugeschanzt, in dem gleichen schönen Diktat – schweig still, mein Herz! Nun, immer Schritt vor Schritt, wie der Führer es lehrte – die kamen alle dran, nur nicht drängeln, meine Herrschaften.
Albert fühlte, von seinen privaten Sorgen durfte er noch nicht sprechen. Sturmführer Preester war unten geblieben, Kamerad Vierkant hinabbeordert worden, die Juden abzulösen, die den österreichischen Rundfunk verpesteten. Auch mit dem Geld, der Währung, mußte den neuen Volksgenossen vieles beigebracht werden. Daß ihr Schilling jetzt bloß eine halbe Mark wert war, obgleich die Münzen so hübsch klangen, wenn man sie bei Lehmkes auf den Tisch warf. Wie weit Kamerad Teetjen mit seiner Wünschelrute gekommen? Und der neue Ausweis ging von Hand zu Hand, auf dem Ohlsdorfer Friedhof Übungen anzustellen. Oh, in Spanien blieb noch viel zu holen, so schnell gaben die Roten dort nicht klein bei. Nun mußte er also seinen nächsten Schritt allein besorgen. Warum auch nicht? Selbst ist der Mann, und so hatte er es immer gehalten, bis ihn die Stine mit dem Footh zusammenbrachte – wieder zusammenbrachte, mußte man sagen. Ja, Kamerad Footh machte sich in Wien zu schaffen – wichtig, sagten die Kameraden. Vielleicht wollte er seine Schiffe auf der Donau schwimmen lassen. Komisch bloß, daß die fast so gelb war wie die Elbe. Die schöne blaue Donau – alles Propaganda. Hätten wir man so tüchtige Operettenfabrikanten besessen! Na, unsere Elbe kannte man auch so in der Welt, nöch? Und die neue Hochbrücke wird noch das Pünktchen aufs I setzen, und zwar ein deftiges. Verlaß dich auf Adolf.Es nebelte wieder, nicht ganz so dick wie das vorige Mal, als das Beil unschädlich gemacht werden sollte, aber doch dichter als in den Ostertagen. Nachdem Albert sich zweimal mit der Rute auf dem riesenhaften Gelände orientiert hatte, vereinbarte er ein drittes Mal mit der Friedhofverwaltung ein engeres, nicht gerade von wohlhabenden Gräbern ausgefülltes Gebiet, das ihm nach mehreren unterirdischen Wasserläufen in der Richtung zum großen Teich oder See hin aussah, der die landschaftlich glücklich gelöste, mehrere Quadratkilometer weite Einrichtung belebte, den Stolz der Hamburger. Es war dies eine der freidenkerischen Abteilungen auf
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