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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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weiß, dass ich etwas Bedeutendes tun muss, und Dr. Lanselius, der Hexenkonsul, sagte, ich dürfe auf keinen Fall herausfinden, worin mein Schicksal bestehe, ehe es eintrete. Ich dürfe nie danach fragen ... Und tatsächlich habe ich das auch nie. Ich habe nicht einmal darüber nachgedacht, was es sein könnte. Auch das Alethiometer habe ich nie danach gefragt. Aber jetzt glaube ich es zu wissen. Und dass ich dich gefunden habe, ist so etwas wie ein Beweis dafür. Das Schicksal hat mir aufgetragen, alle Geister aus dem Land der Toten hinauszuführen. Will und ich, wir werden euch alle retten. Das muss es sein. Auch weil Lord Asriel, also mein Vater, etwas sagte wie Der Tod wird ein Ende haben. Ich weiß nicht, was geschehen wird. Versprich mir, dass du den anderen nichts davon sagst. Ich meine, es könnte sein, dass ihr dort oben nicht bleiben könnt. Aber -«
    Er brannte darauf, etwas zu sagen, deshalb hielt sie inne. »Das ist genau das, was ich dir mitteilen wollte!«, flüsterte Roger aufgeregt. »Ich habe allen Toten hier gesagt, dass du kommen würdest. So wie du nach Bolvangar gegangen bist und die Kinder gerettet hast. Ich sagte, wenn das überhaupt jemand kann, dann Lyra. Sie wünschten es sich von Herzen, dass es so kommen würde, aber so richtig daran geglaubt haben sie wohl nicht, das habe ich gemerkt. Jedes Kind, das hierher kommt, jedes ohne Ausnahme, sagt anfangs: Ganz bestimmt kommt mein Papa und holt mich hier raus, oder: Ich bin sicher, meine Mama bringt mich wieder nach Hause. Und wenn es nicht Mama oder Papa sind, dann eben Freunde oder ihr Opa, aber irgendjemand wird kommen und sie retten. Bloß kommen die natürlich nie. Deshalb hat mir auch niemand geglaubt, als ich sagte, du würdest zu uns stoßen. Und jetzt zeigt sich, dass ich damit vollkommen richtig gelegen habe.«
    »Ja«, sagte Lyra, »aber ohne Will hätte ich es nie geschafft. Er steht da drüben, und die bei ihm sind Chevalier Tialys und Lady Salmakia. Ach, es gäbe so viel zu erzählen, Roger ... «
    »Wer ist Will? Woher kommt er?«
    Und Lyra begann ihm zu berichten, ohne recht zu merken, dass sich plötzlich ihre Stimme, ihre Haltung und sogar der Ausdruck in ihren Augen änderte. Wie hätte es ihr auch auffallen können? Aber Roger wurde es mit dem stummen Neid der Toten gewahr.
    Unterdessen unterhielten sich Will und die Gallivespier, die etwas abseits standen.
    »Was werdet ihr jetzt tun, du und das Mädchen?«, fragte Tialys.
    »Einen Ausgang in dieser Welt öffnen und die Geister hinauslassen. Dazu habe ich das Messer bekommen.«
    Noch nie hatte er so erstaunte Gesichter gesehen, geschweige denn von Personen, an deren Meinung ihm viel lag. Er hatte mittlerweile großen Respekt vor den beiden Gallivespiern gewonnen. Für eine Weile verschlug es ihnen die Sprache, dann sagte Tialys:
    »Das ändert alles. Damit versetzt du der anderen Seite den schwersten Schlag überhaupt. Der Allmächtige wird danach am Boden sein.«
    »Damit wird der Feind niemals rechnen«, sagte Salmakia. »Das wird ihn völlig überraschen.«
    »Und was dann?«, fragte Tialys weiter.
    »Tja, was dann? Wir müssen selber hier hinaus und unsere Dæmonen wieder finden. Aber jetzt wollen wir uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, was nachher kommt. Es genügt vollauf, an das Jetzt zu denken. Ich habe den Geistern noch nichts gesagt, für den Fall, dass ... dass es nicht klappen sollte. Sagen Sie also bitte nichts davon. Ich muss jetzt erst einmal eine Welt finden, in die ich ein Fenster schneiden kann, während die Harpyien uns beobachten. Wenn Sie uns also helfen wollen, dann versuchen Sie doch bitte, die Schreckensvögel abzulenken.« Sogleich erhoben sich die Gallivespier auf ihren Libellen in den düsteren Himmel, wo die Harpyien so dicht wie Schmeißfliegen umherschwirrten. Die großen Insekten gingen furchtlos auf sie los, als ob die Harpyien tatsächlich nur Fliegen wären, die sie mit ihren kleinen Mäulern hätten verschlingen können. Wie gerne die schillernden Insekten wohl über klares Wasser, in dem sich der Himmel spiegelt, dahingeschossen wären, sagte sich der Junge bei diesem Anblick.
    Dann nahm Will das Messer in die Hand. Und schon tauchten sie wieder in seinen Gedanken auf, die hämischen Worte der Harpyien, die Gemeinheiten über seine Mutter. Er ließ das Messer sinken und versuchte sich zu sammeln.
    Ein neuer Versuch brachte das gleiche Ergebnis. Will hörte ihr Geschrei trotz der energischen Abwehr durch die Gallivespier. Es waren

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