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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Vorsitzende öffnete eine Schublade und reichte dem jungen Priester ein Päckchen zusammengefalteter Papiere. »Hier steht alles, was wir über die Frau wissen«, sagte er. »Über die Welt, aus der sie kommt, und über den Ort, an dem sie zuletzt gesehen wurde. Lesen Sie sich alles genau durch, mein lieber Luis, und gehen Sie mit meinem Segen.« Er hatte den Priester noch nie mit Vornamen angeredet. Mit Freudentränen in den Augen küsste Pater Gomez den Vorsitzenden zum Abschied.
    Davon erfuhr Chevalier Tialys nichts.
     
     
    ...du Lyra bist.«
    Da begriff sie, was er meinte. Ihr wurde schwindlig, sogar im Traum, und sie spürte auf einmal eine große Last auf ihren Schultern. Die Last wurde immer schwerer, je mehr sie der Schlaf wieder übermannte und Rogers Gesicht vor ihr in den Schatten zurückwich.
    »Gut, ich ... ich weiß ... Alle möglichen Menschen stehen auf unserer Seite, wie Dr. Malone ... Du weißt, dass es noch ein anderes Oxford gibt, Roger, genau wie unseres? Also sie ... Ich habe sie kennen gelernt, als ... Sie würde uns helfen ... Aber im Grunde kann uns nur einer ...«
    Der kleine Junge war jetzt kaum mehr zu erkennen, und ihre Gedanken zerstreuten sich und entfernten sich wie Schafe auf einem Feld. »Aber wir können ihm vertrauen, Roger, ich schwör's dir«, sagte sie mit letzter Anstrengung,...

Mary unterwegs
     
     

    Ungefähr zur selben Zeit wurde die Versucherin, deren Verfolgung Pater Gomez aufnahm, selbst versucht.
    »Danke nein, mehr brauche ich wirklich nicht, danke«, sagte Dr. Mary Malone. Das alte Paar wollte ihr mehr Proviant mitgeben, als sie tragen konnte.
    Die beiden Alten lebten einsam und kinderlos in mitten eines Olivenhains und hatten Angst vor den Gespenstern, die sie zwischen den silbergrauen Bäumen gesehen hatten. Doch als Mary sich mit ihrem Rucksack näherte, hatten die Gespenster offenbar Angst bekommen und waren verschwunden. Das alte Paar hatte Mary in dem kleinen, von Wein überwucherten Häuschen gastlich aufgenommen und sie mit Wein, Käse, Brot und Oliven bewirtet. Jetzt wollten sie sie nicht gehen lassen.
    »Ich muss weiter«, sagte Mary noch einmal. »Danke für alles. Sie sind so freundlich - ich kann nicht mehr tragen - gut, noch einen kleinen Käse - danke -«
    Die beiden betrachteten sie offenbar als ihre Schutzherrin gegen die Gespenster. Mary wünschte, sie hätte das für die beiden sein können. In der Woche, die sie in der Welt von Cittàgazze verbracht hatte, hatte sie so viel Zerstörung, so viele von Gespenstern gefressene Erwachsene und verwahrloste Kinder gesehen, dass es ihr vor den durchscheinenden Vampiren grauste. Immerhin wusste sie inzwischen, dass die Gespenster verschwanden, sobald sie sich ihnen näherte. Doch konnte sie nicht bei allen bleiben, die ihre Hilfe brauchten. Sie musste weiter.
    Mary steckte den letzten kleinen, in ein Weinblatt eingeschlagenen Ziegenkäse in ihren Rucksack, lächelte, verbeugte sich noch einmal und trank an der zwischen den grauen Steinen neben dem Haus hervorsprudelnden Quelle einen letzten Schluck. Dann legte sie die Hände aneinander, wie die beiden Alten es taten, wandte sich entschlossen um und ging.
    Sie wirkte entschlossener, als ihr zumute war. Vor kurzem hatte Mary am Bildschirm ihres Computers mit den Einheiten kommuniziert, die sie Schattenteilchen nannte und Lyra Staub. Auf Anweisung der Teilchen hatte sie den Computer anschließend zerstört, und jetzt wusste sie nicht weiter. Die Schattenteilchen hatten gesagt, sie solle in dem Oxford, in dem sie lebte, dem Oxford aus Wills Welt, durch ein Fenster gehen. Das hatte sie getan - und jetzt befand sie sich in dieser bizarren anderen Welt und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ihre einzige Aufgabe bestand noch darin, den Jungen und das Mädchen zu finden und dann die Schlange zu spielen, was immer das bedeuten mochte.
    Mary war also losmarschiert und hatte die neue Welt erkundet, die beiden Kinder aber nicht gefunden. Jetzt, so beschloss sie, als sie sich auf dem steinigen Weg von dem Olivenhain entfernte, musste sie zielgerichteter vorgehen. Sie brauchte Hilfe.
    Sobald sie weit genug von dem kleinen Gehöft entfernt war, dass niemand sie stören würde, ließ sie den Rucksack neben sich ins Gras fallen, setzte sich auf einen bemoosten Stein unter die Pinien und öffnete ihr Gepäck. Ganz unten, eingewickelt in ein Seidentuch, lag ein zerfleddertes Buch, das sich seit zwanzig Jahren in ihrem Besitz befand: das chinesische Wahrsagebuch

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