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Das Bernstein-Teleskop

Das Bernstein-Teleskop

Titel: Das Bernstein-Teleskop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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notfalls noch einmal zu entdecken. Sobald Sie wissen, was für Instrumente Sie dazu benötigen, erhalten Sie die auch. Das ist wirklich eine gewaltige Aufgabe, Dr. Cooper! Es ist eine Gnade, dass sie Ihnen anvertraut wurde! Danken Sie dem Allmächtigen dafür.«
    »Das werde ich, Exzellenz! Das werde ich!«
    Der Wissenschaftler hielt seine Hose am Bund fest, stand auf und verbeugte sich mechanisch immer wieder, bis der Vorsitzende des Geistlichen Disziplinargerichts die Zelle verlassen hatte.
    Am Abend begab sich Chevalier Tialys, der gallivespische Spion, durch die Straßen und Gassen von Genf zum Treffpunkt mit seiner Kollegin Lady Salmakia. Beide gingen ein großes Wagnis ein; Gefahr drohte aber auch allen, die sich ihnen in den Weg stellten. Dennoch erwartete die kleinen Gallivespier das größere Risiko. Schon mehrere streunende Katzen waren durch ihre Sporen zu Tode gekommen, doch hätte der Chevalier erst vor einer Woche fast einen Arm an einen räudigen Hund verloren. Nur das schnelle Eingreifen der Lady hatte ihn gerettet.
    Sie trafen sich am siebten ihrer verschiedenen Treffpunkte, zwischen den Wurzeln einer Platane auf einem tristen kleinen Platz, und tauschten ihre Neuigkeiten aus. Der Kontaktmann Lady Salmakias von der Heilige Geist-Gesellschaft hatte ihr früher am selben Abend mitgeteilt, die Mitglieder der Gesellschaft seien vom Vorsitzenden des Disziplinargerichts herzlich eingeladen worden, über Dinge von gemeinsamem Interesse zu beratschlagen.
    »Schnelle Arbeit«, sagte der Chevalier. »Aber ich wette hundert zu eins, dass er ihnen seinen Mordbefehl verschweigen wird.«
    Er berichtete Lady Salmakia von dem Plan, Lyra zu töten. Sie war nicht überrascht.
    »Das ist nur konsequent«, erklärte die Spionin. »Wirklich sehr konsequente Leute. Tialys, glauben Sie, wir werden dieses Kind auch einmal kennen lernen?«
    »Ich weiß nicht, wünschen würde ich mir das schon. Leben Sie wohl, Salmakia. Bis morgen am Brunnen.«
    Unausgesprochen stand hinter diesem kurzen Wortwechsel die eine Tatsache, über die sie nie sprachen: die Kürze ihres Lebens im Vergleich zu dem der Menschen. Gallivespier wurden in der Regel neun bis zehn Jahre alt, selten mehr, und Tialys und Salmakia waren jetzt beide sieben. Nicht dass sie vor dem Alter Angst gehabt hätten. Die Gallivespier starben im Vollbesitz ihrer Kräfte und ganz plötzlich, und ihre Kindheit war sehr kurz. Doch verglichen damit reichte das Leben eines Kindes wie Lyra so weit in die Zukunft wie das der Hexen im Vergleich zu dem Lyras.
    Der Chevalier kehrte in das Kolleg des heiligen Hieronymus zurück und machte sich an den Bericht, den er Lord Roke über den Magnetstein Resonator schicken wollte.
    Zur selben Zeit, in der Tialys sich mit Salmakia traf, ließ der Vorsitzende Pater Gomez in sein Arbeitszimmer kommen. Sie beteten eine Stunde zusammen, dann erteilte Pater MacPhail dem jungen Priester die präventive Absolution. Der Mord an Lyra galt damit nicht mehr als Sünde. Pater Gomez schien wie verklärt zu sein. Die heilige Gewissheit, die ihn beseelte, leuchtete ihm aus den Augen.
    Danach sprachen sie über praktische Dinge, über Geld und andere Vorbereitungen. Dann sagte der Vorsitzende: »Sobald Sie uns verlassen, Pater Gomez, sind Sie für immer von uns abgeschnitten, wir können Ihnen dann nicht mehr helfen. Sie können nie mehr zu uns zurückkehren und werden nie mehr von uns hören. Der beste Rat, den ich Ihnen geben kann, ist folgender: Suchen Sie nicht das Kind. Damit würden Sie sich nur verraten. Suchen Sie stattdessen die Versucherin. Folgen Sie ihr. Sie wird Sie zu dem Kind führen.«
    »Eine Frau?«, fragte Pater Gomez verblüfft.
    »Ja, eine Frau«, erwiderte Pater MacPhail. »Sie kommt aus einer seltsamen Welt. Viele Dinge, die Sie dort sehen, werden Sie erschrecken und schockieren, Pater Gomez. Lassen Sie sich dadurch nicht von ihrer heiligen Aufgabe ablenken.« Freundlich fügte er hinzu: »Ich vertraue auf die Kraft Ihres Glaubens. Diese Frau ist, geführt von den Mächten des Bösen, zu einem Ort unterwegs, an dem sie dem Kind begegnen und es versuchen wird. Das heißt, natürlich nur, wenn es uns nicht gelingt, das Mädchen vorher in unsere Gewalt zu bringen. Das bleibt unser erster Plan. Sie, Pater Gomez, sind unsere Rückversicherung, dass die Mächte der Finsternis bei einem Scheitern unseres Plans trotzdem nicht siegen.« Pater Gomez nickte. Sein Dæmon, ein großer, grün schillernder Käfer, klackte mit den Deckflügeln.
    Der

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